520 Das Verfassungsrecht. 8 78
Volksvertretung auf die Feststellung des Gesetzesinhaltes beschränkt
werden könnte. Dem stieht jedoch für das preußische Pecht Art. 62 der
Verfassungsurkunde entgegen, wonach für jedes Gesetz die Ueberein-
stimmung des Königs und beider Häuser des Landtages erforderlich
ist. Wo aber die Verfassungsurkunde von einem Gesetze spricht, sieht
sie vollständig von dem Gesetzesinhalte ab, sie faßt das Gesetz rein
sormell auf. Demgemäß kann auch, wenn die Uebereinstimmung des
Königs und beider Häuser des Landtages zu einem Gesetze erfordert
wird, nicht die Uebereinstimmung über den Gesetzesinhalt, sondern
nur die Uebereinstimmung über die zu erlassende staatliche Anordnung,
den Gesetzesbefehl, gemeint sein.
Das Pecht der Gesetzgebung, d. h. das Recht, den Gesetzesbefehl
zu erlassen, steht dem Könige zu. Er kann dieses Recht aber nur
ausüben, wenn er über die Ausübung im einzelnen Falle sich im
Einverständnisse mit den beiden Hänsern des Landtages befindet. Hier-
aus ergibt sich, daß die Stellung des Königs und des Landtages
trotz des scheinbar widersprechenden Wortlautes des Art. 62 der Ver-
fassungsurkunde doch nicht gleichartig ist. Es ist nicht möglich,
daß ein Gesetz ergeht mit der Eingangsformel: „Wir, Herrenhaus
und Abgeordnetenhaus des preußischen Landtages verordnen mit Zu-
slinmung Er. Majestät des Königs von Preußen, was folgt“, obgleich
das Erfordernis der Willensübereinstimmung des Könige und beider
Häuser des Landtages auch hier gewahrt wäre. Eine solche Anord-
nung würde aber im vollen Widerspruche stehen mit der Tatsache,
daß das Recht zum Erlasse des Gesetzes dem Könige zusteht. Sie
wäre nur möglich, wenn man das Recht der Gesetzgebung der Volks-
vertretung beilegte und dem Könige nichts als ein Veto zugestände.
Aus dem Begriffe des Gesetzes als einer staatlichen Willens-
äußerung in Verbindung mit dem monarchischen Charakter des preußi-
schen Staates ergibt sich also, daß der Gesetzesbefehl uur vom Könige
ausgehen kann. Der König ist aber bei Erlaß des Gesetzesbefehls
formell gebunden durch die vorherige Zustimmung des Landtages.
Indem der König bei Erlaß der Verfassungsurkunde den Willen aus-
sprach, sein Gesetzgebungsrecht künftig nur auszuüben mit Zustimmung
beider Häuser des Landtages, erklärte er, daß eine nicht in diesen,
nunmehr versfassungsmäßigen Formen erlassene Anordnung gar nicht
sein staatlicher Wille sei. Unter Festhaltung des Gesetzgebungsrechtes
des Königs wurde also die Auslübung dieses Rechtes an gewisse wesent-