Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

87 Die Zeit der Reformen u. der Revolution (1807—1848). 45 
diese Gründe der auswärtigen Politik das Zustandekommen einer Volks- 
vertretung nicht verhindert hätten, wäre eine solche in Preußen da- 
mals unmöglich gewesen. Das Staatsgebiet war aus den verschie- 
densten Bestandteilen zusammengesetzt, die vielfach nur mit großem 
Widerstreben dem preußischen Staate angehörten. In einer Landes- 
repräsentation würde eine rheinisch-französisch-demokratische und eine 
rheinisch-ultramontanc Patei, eine sächsisch-wettinische, eine polnische, 
eine westfälisch-ultramontane, ja eine schwedisch-pommersche, sowie eine 
starke Adelspartei aus den altpreußischen Provinzen vertreten gewesen 
sein, und diese Parteien hätten nicht nur die innere Befestigung des 
Staates verzögert, sondern das Gebäude geradezu nach entgegengesetzten 
Richtungen auseinandergetrieben. Wenn diese Gefahr den damaligen 
Staatsmännern auch nicht so klar war wie der Jetztzeit nach einer 
längeren parlamentarischen Erfahrung, so mußte man doch schon da- 
mals diese zentrifugalen Kräfte einer etwaigen Landesrepräsentation 
fürchten und konnte in der Verfassungsfrage nur mit äußerster Vor- 
sicht und jedenfalls nicht so schnell vorwärts gehen wie die gleich- 
mäßiger zusammengesetzten deutschen Mittel- und Kleinstaaten. 
Zwar wurde die Zusicherung einer Volksvertretung mittelbar in 
der Verordnung vom 17. Januar 1820 wiederholt, indem danach die 
Aufnahme von Anleihen für den Staat nur mit Zuziehung und 
unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen Versammlung ge- 
schehen sollte. Die Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820 gab ferner 
eine gegen die demagogischen Umtriebe gerichtete authentische Inter- 
pretation des Art. 13 der Bundesakte. Danach nahm die Bundes- 
versammlung das Recht für sich in Anspruch, darüber zu wachen, daß 
die Bestimmung des Art. 13 der Bundesakte in keinem Staate un- 
erfüllt bleibe, überließ jedoch die Ausführung den Fürsten der Bun- 
desstaaten unter drei Beschränkungen. Die in anerkannter Wirksam- 
keit bestehenden landständischen Verfassungen sollten nur auf ver- 
fassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden. Mit Rücksicht dar- 
auf, daß der Deutsche Bund mit Ausnahme der freien Städte aus 
souveränen Fürsten bestehe, müsse ferner dem hierdurch gegebenen 
Grundbegriffe zufolge die gesamte Staatsgewalt in dem Oberhaupte 
des Staates vereinigt bleiben, und der Sonverän könne durch eine 
landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte 
an die Mitwirkung der Stände gebunden werden. Endlich dürften 
die im Bunde vereinten souveränen Fürsten durch keine landständische
	        
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