522 Das Verfassungsrecht. 8 79
bezüglich der Abänderung gesetzlich nicht beschränkten Verordnung deren
Abänderung aus eigener Initiative einem Gesetze vorbehalten, so wäre
damit die formelle Gesetzeskraft keineswegs hergestellt. Der König wäre
allerdings an seine Verordnung gebunden, solange sie bestände, aber
nichts hinderte ihn, die betreffende Bestimmung der Verordnung in
gesetzlicher Form selbst aufzuheben!s).
8 79. Der Geschäftsgang bei Erlaß der Gesetzet).
Gesetz ist die staatliche Erklärung, welche mit Zustimmung beider
Häuser des Landtages ergeht. Aus dieser Begriffsbestimmung ergibt
sich auch im wesentlichen die Art und Weise, in der das Gesetz zu-
stande kommt. Die einzelnen Momente des Gesetzesbegriffs sind die
einzelnen Stadien des Zustandekommens des Gesetzes.
Zunächst muß ein Gesetzentwurf, der den Gegenstand der Beratung
bilden soll, vorhanden sein. Wer diesen Gesetzentwurf abfaßt, ist eine
rechtlich gleichgültige Tatsache:). Der Entwurf kann von irgend
13) So war z. B. bei der Bildung des Vereinigten Landtages
durch das Patent vom 3. JFebruar 1847 diesem das Recht der Zu-
stimmung bei Einführung neuer oder Erhöhung bestehender Abgaben
eingeräumt. Es konnte nun zwar keine Stenervermehrung stattfinden
ohne Zustimmung des Landtages, aber nichts hinderte den König, da
das Zustimmungsrecht auf einseitiger königlichen Verordnung beruhte,
dieses selbst durch Verordnung wieder aufzuheben. Die Verordnung vom
10. November 1865, betreffend die definitive Erledigung der Vorbehalte
wegen Bildung der Verbände des alten und befestigten Grundbesißes 2c.,
behält dagegen Abänderungen dieser Verordnung selbst ausschließlich der
Gesetzggebung vor. Eine Aushebung dieses Vorbehalts würde als Ab-
ünderung der Verordnung nur im Wege der Gesetzgebung möglich sein.
Damit hat jedoch nicht die ganze Verordnung, sondern nur der Vor-
behalt die sormelle Gesetzeskraft erlangt. Sobald der Vorbehalt mit
Zustimmung des Landtages aufgehoben wäre, würde die Verordnung
sich in keiner Weise mehr von einer beliebigen anderen Verordnung
unterscheiden.
1) Vgl. Fleischmann, Der Weg der Gesetzgebung in Preußen
(aus Brie und Fleischmann Abhandlungen Heft 1), Breslau 1898.
2) Wenn J.J. Moser erklärt: „Denu Aussatz machen zu dürfen,
ist ein Vorrecht des Landesherrn, so ihm niemand streitig machen
kann“ (vgl. die bei H. v. Schulze-Gaevernitz, Pr. St.-R., BVd. 2,
S. 18 angeführte Stelle), so verwechselt er die Abfassung des Aussatzes
und dessen Einbringung als Gesetzesentwurf.