Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

528 Das Verfassungsrecht. 8§ 790 
so ist bei unveränderter Annahme durch das andere Haus und den 
König jede spätere Willensänderung des Hauses rechtlich bedeutungs- 
los. Ebensowenig ist trotz der Uebereinstimmung des Königs und 
beider Häuser ein Gesetz bloß deshalb nicht vorhanden, weil es noch 
nicht verkündet ist. Allerdings besiehlt nach Art. 45 der Verfassungs- 
urkunde der König die Verkündigung der Gesetze, und erst mit der 
Verkündigung wird das Gesetz für die Beteiligten verbindlich. Die 
Verbindlichkeit des Gesetzes ist aber doch wesentlich verschieden von 
seinem Bestande. Wäre durch die Uebereinstimmung des Königs und 
beider Häuser bereits ein Gesetz vorhanden, so hälte der König die 
Verpflichtung, die Verkündigung anzubefehlen, wenn er einen Gesetz- 
entwurf eingebracht und beide Häuser ihn unverändert angenommen 
hätten. Eine solche Verpflichtung besteht aber anerkanntermaßen nicht. 
Es tritt hier noch ein Gesichtspunkt dazwischen, von dem die 
Verfassungsurkunde nichts enthält. Dies ist der § 6 II, 13 A. L.-R., 
welcher das Recht, Gesetze zu erlassen, für ein Majestätsrecht, d. h. 
für ein Recht des Königs erklärt. Allein der König hat das Recht der 
Gesetzgebung, dieses Recht kann aber nur ausgeübt werden durch Ueber- 
einstimmung des Königs und beider Häuser. Ist diese Uebereinstimmung, 
das notwendige Ersordernis der Ausübung, vorhanden, so tritt das 
königliche Gesetzgebungsrecht ein. Dem Könige als Gesetzgeber ist die 
rechtliche Möglichleit gegeben, das Gesetz zu erlassen, aber es besteht 
noch kein Gesetz. Man bezeichnet diesen königlichen Gesetzgebungsakt 
als Sanktion. Sie vollzieht sich durch die Unterschrift des von beiden 
Häusern des Landtages angenommenen Entwurfes. 
In der Sanktion wird der Gesetzgebungswille des Herrschers 
ausgesprochen. Die Sanktion kann aber nur erteilt werden, nachdem 
der Herrscher das Vorhandensein der rechtlichen Voraussetzungen des 
Gesetzes, insbesondere die erfolgte Zustimmung des Landtages, geprüft 
hat und zu der Ueberzeugung gelangt ist, daß diese Voraussehungen vor- 
liegen. Die Tatsache, daß diese Prüfung stattgefunden hat und zu- 
gunsten des Gesetzentwurfes ausgefallen ist, bezengt der Herrscher durch 
die Sanktion. Mit dem Augenblicke der Sanktion ist das Gesetz vor- 
handen, und es bedarf dessen weiterer Legalisierung nicht. Sank- 
tion und Ausfertigung fallen daher in einem monarchischen Staate 
nicht nur zeitlich, sondern auch begrifflich zusammen. Der König kann 
nur die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß des Gesetzes, nicht
	        
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