Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

530 Das Verfassungsrecht. 8 79 
schon vor der Verkündigung ein Gesetz vorhanden ist. Ist somit die 
Verkündigung nicht erforderlich, um ein Gesetz zur Entstehung zu 
bringen, so muß die Entstehung bereits mit einem früheren Rechts- 
akte abgeschlossen sein. Das kann aber nur geschehen sein durch 
die Sanktion. 
Die Verfassungsurkunde enthält nun keine Bestimmung darüber, 
innerhalb welcher Frist die Sanktion der von beiden Häusern ange- 
nommenen Entwürfe zu erfolgen hat bzw. noch rechtlich zulässig ist. 
Jedenfalls besteht für den König keinerlei Verpflichtung, die Verwei- 
gerung der Sanktion ausdrücklich auszusprechen. Deshalb ist aber 
eine längere Zeit der Ungewißheit möglich, in der es zweifelhaft ist, 
ob das vom Landtage angenommene Gesetz ergehen wird oder nicht. 
Diese Ungewißheit muß endlich einmal ein Ende nehmen. Deshalb 
wird ausgeführt, die Sanktion müsse, wenn sie erfolge, geschehen vor 
Beginn einer neuen Sitzungsperiode des Landtages. Als Gründe 
hierfür hat man jedoch außer allgemeinen konstitutionellen Gebräuchen 
und der gebührenden Rücksicht auf die Volksvertretung, also politischen 
Erwägungen, nur den Grundsatz der Diskontinnität der Kammern 
angegeben:). Hiergegen ist jedoch mit Recht bereits eingewandt worden, 
daß die Diskontinnität sich nur auf noch nicht erledigte Angelegenheiten, 
nicht aber auf bereits vollständig abgetane Vorlagen beziehen). Man 
kann aber ebensowenig in dem Schweigen der Verfassungsurkunde 
eine durch die Theorie nicht auszufüllende Lücke erkennent). Gesetze 
haben Lücken, das Necht niemals. Eine andere Ansicht folgert aus dem 
Charakter der Volksvertretung als eines von physischen Personen un- 
abhängigen Staatsorganes, daß eine Frist überhaupt nicht besteheto). 
Diese Auffassung muß als unhaltbar bezeichnet werden, da ein Organ, 
welches zeitweise gar nicht besteht, nicht als unabhängig von den 
physischen Personen, aus denen es besteht, sich forterhaltendes Staats- 
organ angesehen werden kann. 
12) v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 392. 
195) v. Gerber § 46; H. v. Schulze -Gaevernitz, Pr. St.-N., 
Bd. 2, S. 23. 
14) So H. Schulze, a. a. O. 
10) Jellinek, S. 331; Fleischmann, Weg der Gesetzgebung, 
S. 60, 86 ff.; Schwarz, Verf. Urk. S. 202. Unbestimmt Fror- 
mann, Eine Streitfrage aus dem Rechte des konstitutionellen Ge- 
setzgebungsverfahrens im Archiv für öffentliches Recht, Bd. 14 (1899), 
S. 503 ff., der dem Monarchen eine angemessene Frist geben will.
	        
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