Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

9 80 Die Gegenstände der Gesetzgebung. 533 
mehr, welche Bedeutung die landrechtliche Bestimmung für das heutige 
Staatsrecht beansprucht. 
Unter den besonderen Rechten und Pflichten der Staatsangehörigen 
mußten die ständischen Sonderrechte verstanden werden. Die Be- 
stimmung des A. L.-R. erklärt sich nur aus der ständischen Rechts- 
ordnung des Patrimonialstaates, wo den in dem Könige vereinigten 
Rechten des Staates eigene Rechte der Untertanen gegenüberstanden. 
Wie dem Landesherren seine Landeshoheit, ein Aggregat einzelner 
Hoheitsrechte, das sich nur mühsam zur vollen Staatsgewalt aus- 
bildete, zustand, so hatten auch die Untertanen ihre be'onderen Rechte, 
die Städte ihre Autonomie, die Rittergutsbesitzer ihre Gutsherrlichkeit. 
Diese Gerechtsame der Untertanen, die bei der Vermischung staats- 
rechtlicher und privatrechtlicher Gesichtspunkte sowohl staatsrechtlicher 
wie privatrechtlicher Natur waren, hießen deren besondere Rechte und 
ihnen entsprachen die besonderen Pflichten. Eine Neubestimmung 
dieser Rechte bedurfte immer der ständischen Einwilligung. Am klarsten 
gibt Mosers) diesem Verhältnisse Ausdruck, indem er die Frage, 
welche Gattungen von Rechtsnormen ständischer Zustimmung bedürfen, 
dahin beantwortet: „Ich dencke so: Alle Geseze, Anordnungen u. s. w., 
welche nicht bloß des Landesherrns eigene Gerechtssame, seine Beamte, 
u. d. betreffen, sondern auch in der Landstände und Unterthanen 
Gerechtsamen, wie auch in ihr Wohl und Weh, mit einschlagen, seynd 
ihnen, wo nicht ganz, doch wenigstens so weit, als es ihr Rechte und 
Wohlfahrt betrifft, mitzutheilen.“ Wo nun wie in Preußen die 
Tätigkeit der Landstände aufhörte, während sich die ständische Rechts- 
ordnung forterhielt, stellte man die ständischen Rechte wenigstens in- 
sofern unter einen gewissen Schutz, als man sie nur in den besonderen 
Formen der Gesetzgebung abändern ließ. 
Mit der Aufhebung der ständischen Rechtsordnung durch die 
Stein-Hardenbergische Gesetzgebung hat aber die Unterscheidung zwischen 
landesherrlichen Gerechtsamen und den besonderen Rechten und Pflich- 
ten der Untertanen jeden Boden verloren. Es besteht nur noch ein 
allgemeines, für alle Staatsangehörigen gleiches Recht. Das einzige, 
was man unter den besonderen Rechten und Pflichten noch anführen 
könnte, sind die besonderen Rechte und Pflichten der Mediatisierten. 
— 
2) J. J. Moser, Landeshoheit in Regierungssachen, Frankfurt 
und Leipzig 1772, S. 308. 
 
	        
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