534 Das Verfassungsrecht. 8 80
Diese unterliegen aber schon nach anderen, besonderen Bestimmungen
einer Aenderung nur im Wege der Gesetzgebungs). Die Bestimmung
des A. L.-R., daß die besonderen Rechte und Pflichten eine Regelung
nur durch die Gesetzgebung erfahren können, ist damit gegenstandslos
geworden, da solche besonderen Rechte und Pflichten in dem Sinne,
wie sie das A. L.-R. auffaßt, nicht mehr bestehen.
Fernerhin soll Gegenstand der Gesetzgebung sein die Abänderung,
Ergänzung oder Erklärung der gemeinen Rechte. Was zu den gemeinen
Rechten zu zählen sei, darüber hätte zur Zeit des Erlasses des A. L.-R.
niemand den geringsten Zweifel gehegt. Man rechnete darunter das
römische, kanonische und gemeine Sachsenrecht sowie das longobardische
Lehenrecht und die Reichsgesetze. Nach den Publikationspatenten
traten aber die Allgemeinen Gesetzbücher an die Stelle dieser Rechte.
Es muß also auch ihnen der Charakter der gemeinen Rechte beigelegt
werden. Gegenstand der Gesetzgebung sind auch die Bestimmungen
der Partikularrechte, da diese Abänderungen der gemeinen Rechte ent-
halten. Die gemeinen Rechte beschränken sich nun nicht auf das
Privat-, Straf= und Prozeßrecht, sie enthalten auch zahlreiche ver-
fassungs= und verwaltungsrechtliche sowie kirchenrechtliche Bestim-
mungen. Es kommt also auch wieder nicht aus den Charakter des
Rechtssatzes an, sondern lediglich darauf, ob in den gemeinen Rechten
eine Anordnung enthalten ist, den der neue Rechtssatz abändert, er-
gänzt oder erklärtt). Als zur Zeit des Erlasses der Verfassungs-
urkunde bestehenden und von dieser nicht aufgehobenen Grundsatz kann
man daher den ausstellen, daß das gemeine Necht nur durch die
Gesetzgebung eine Forlbildung erfahren kann. Das Gesetz kommt jetzt
in anderer Weise zustande als früher. Dieser Umstand wirkt jedoch
auf den Grundsatz selbst nicht ein.
Weiterhin hat aber die Versassungsurkunde für eine ganze Reihe
von Gegenständen ausgesprochen, daß sie durch Gesetz zu regeln sind,
obgleich diese Gegenstände nicht unter den Begriff der gemeinen Rechte
*!) Vgl. 88 50 ff.
4) Dasi die Vorbildung der Juristen auf Gesetz beruht, die anderer
Berufssklassen nicht, ist z. B. allein darauf zurückzuführen, daß die All-
gemeine Gerichtsordnung von 1793/95 darüber Bestimmungen enthielt,
der Gegenstand war damit in die gemeinen Rechte einbezogen. Und
dabei ist es bis auf den heutigen Tag verblieben. Also kein Gedanke
an grundsätzliche Abgrenzung des Gebietes der Gesetzgebung.