Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

536 Das Verfassungsrecht. 8 80 
18. Aufnahme von Anleihen für die Staatskasse und Uebernahme 
von Garantien zu Lasten des Staates (Art. 103); 
19. Einrichtung und Befugnisse der Oberrechnungskammer 
(Art. 104); 
20. Bestimmung über die Vertretung und Verwaltung der Ge- 
meinden, Kreise, Bezirke und Provinzen des preußischen 
Staates (Art. 105). 
Wenn nun auch nur zur Fortentwicklung des gemeinen Rechtes 
durch staatliche Anordnung und über die in der Verfassungsurkunde 
ausgeführten Gegenstände der Erlaß eines Gesetzes erfordert wird, 
so steht doch nichts im Wege, daß auch andere Gegenstände durch 
die Gesetzgebung geregelt werden. Was aber einmal durch Gesetz 
geregelt ist, kann auch nur durch Gesetz wieder abgeändert werden. 
Denn nach Art. 109 der Verfassungsurkunde bleiben alle Bestim- 
mungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelnen Gesetze und Verord- 
nungen so lange in Kraft, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden. 
Wenn hier auch die Verordnungen unter den bis zur Aenderung im 
Wege des Gesetzes fortbestehenden Normen aufgeführt werden, so 
können damit nur die damals geltenden Verordnungen über Gegen- 
stände gemeint sein, die nach der Verfassungsurkunde der Gesetzgebung 
unterworfen sein solltens). Sie sollten gleich allen übrigen Normen, 
die der Verfassung nicht widersprachen, nicht schon durch den Erlaß 
der Verfassungsurkunde selbst, sondern erst mit Erlaß der in der Ver- 
fassungsurkunde vorgesehenen besonderen Gesetze aufgehoben werden. 
——— ——— — ——„ — 
6) Der Widerspruch, daß Verordnungen bis zu ihrer Aufhebung 
durch Gesetz in Kraft bleiben sollen, wurde auch bei der Revision der 
Verfassungsurkunde wohl bemerkt. Beide Kammern waren daher darüber 
einverstanden, die Worte „durch Gesetz“ durch „auf gesetzlichem Wege“ 
zu ersetzen. Die Aenderung unterblieb aus einem der Sache selbst 
fremden Grunde, nämlich wegen der Verbindung der Steuerwesens mit 
der übrigen Gesetzgebung in demselben Artikel, um die Möglichkeit 
der Steuerverweigerung auszuschließen. Unter diesen Umständen ist, 
da man im Wege der Interpretation unmöglich „Gesetz“ als gleich- 
bedeutend mit „gesetzlichem Wege“ auffassen kann, die oben gegebene 
Auslegung die einzige Möglichkeit zur Lösung des Widerspruches. Daß 
übrigens die betreffenden Verordnungen nicht nur bis zu ihrer Ab- 
änderung durch Gesetze in Kraft bleiben, sondern auch bis zu diesem Zeit- 
punkte durch Verordnung geändert werden können, ist zweifellos.
	        
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