Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

540 Das Verfassungsrecht. 98 81 
Ergebnis haben aber eine rein politische Bedeutung. Denn die Ver- 
ordnung ist und bleibt jedenfalls in Geltung, bis sie wieder außer 
Kraft gesetzt wird. 
Der Erlaß ist an gewisse Voraussetzungen, nämlich das dringende 
Erfordernis zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder 
zur Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes geknüpft. Ob diese 
Voraussetzungen vorliegen, ist aber eine Frage der politischen Zweck- 
mäßigkeit, über die das Ministerium anderer Ansicht sein kann wie 
der Landtag. Uebernimmt das Ministerium die Gegenzeichnung einer 
Notverordnung, so kann es dies nur tun in der Ueberzengung, daß 
die gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen vorliegen. Es handelt 
demgemäß unter allen Umständen gesetzmäßig. Es muß aber auch 
politisch mit dem Landtage sich verständigen. Wie es das macht, ist 
aber keine Rechtsfrage mehr. 
Es dürfen fernerhin zur Zeit des Erlasses der Notverordnung 
die beiden Häuser des Landtages nicht versammelt sein. Wären sie 
beisammen, so würde der Weg der ordentlichen Gesetzgebung möglich 
sein, es läge also kein besonderer Notstand vor. Die Verfassungs- 
urkunde hat es jedoch für nötig erachtet, diesen Fall ausdrücklich als 
die Voraussetzungen der Notverordnung ausschließend hervorzuheben. 
Ihrem Inhalte nach dürfen die Notverordnungen der Verfassung 
nicht zuwiderlaufen. Selbstverständlich ist hiernach, daß die Verord- 
nung auf Grund des Art. 63 die Verfassungsurkunde und die sie 
abändernden Verfassungsgesetze nicht ändern darf. Eine Verordnung, 
welche eine Verfassungsänderung enthielte, wäre keine Verordnung auf 
Grund des Art. 63, sie bildete einen formellen Rechtsbruch, wodurch 
allerdings nicht ausgeschlossen wäre, daß der Landtag gleichwohl die 
Notwendigkeit der Verordnung anerkennte, sie nachträglich genehmigte 
und dem Ministerium Indemnität erteilte. Verfassungsgesetze sind 
nun aber nur die Bestimmungen der Verfassungsurkunde selbst und 
der Novellen zu ihr. Nur sie unterliegen der erschwerten Form der 
Abänderung, in der der einzige Unterschied der Verfassungsgesetze 
und der sonstigen Gesetze besteht. Dagegen sind diejenigen Gesetze, 
welche die Verfassungsurkunde bloß vorsieht, keine Verfassungsgesetze, 
sondern gewöhnliche Gesetzen). 
  
3) Wenn Held, System des Verfassungsrechts, Bd. 2, S. 61 aus- 
führt, in diesen Fällen sei nicht das erst zu ordnende als Verfassungs- 
gesetz zu betrachten, wohl aber sei die Bestimmung der Verfassungs-
	        
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