544 Das Verfassungsrecht. 8 81
gesetze und derjenigen anderen Gesetze, die nach ausdrücklicher Be-
stimmung nur durch ein mit Zustimmung beider Häuser des Landtages
zu erlassendes Gesetz abgeändert werden können. Der Inhalt des
Gesetzes kann jedoch ein sehr verschiedenartiger sein, es kann eine
Rechtsnorm, es kann aber auch eine bloße tatsächliche Anordnung
oder Ansichten und Pläne zum Ausdruck bringen. Dem entspricht
auch der mögliche Inhalt der Verordnung mit Gesetzeskraftuo). Sowohl
solche Rechtsnormen, deren Erlaß sonst der Gesetzgebung vorbehalten
ist, wie andere Maßregeln, für welche die Verfassungsurkunde die
Gesetzessorm vorschreibt, können durch Notverordnungen getroffen
werden. Es erscheint daher sehr wohl denlbar, daß, wenn der Land-
tag den Staatshaushaltsetat nicht zustande bringt und geschlossen
werden muß, der Etat durch Notverordnung festgestellt wird.
In sormeller Beziehung ist erforderlich, daß die Notverordnung
unter Verantwortlichkeit des gesamten Staatsministeriums ergeht, also
von allen zurzeit im Amte befindlichen Staatsministern gegengezeichnet
wird. Die Rechtsverbindlichkeit der Verordnung ist jedoch von der
Beobachtung dieser Form nicht abhängigti). Denn nach Art. 106
der Verfassungsurkunde sind Gesetze und Verordnungen verbindlich,
wenn sie nur in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form bekannt ge-
macht sind. Ein Bestandteil der Bekanntmachung ist die Gegenzeichnung
nicht. Eine rechtsgültige königliche Verordnung liegt aber schon vor,
wenn die Gegenzeichnung auch nur durch einen Minister erfolgt ist.
Ebensowenig würde eine Verantwortlichkeit derjenigen Minister statt-
finden, welche die Verordnung gar nicht gegengezeichnet, noch der-
jenigen, welche sie gegengezeichnet haben, für die unterlassene Gegen-
10) Seligmann, Begriff des Gesetzes, S. 119 behauptet, Gegen-
stand der Notverordnungen könne nur sein der Erlaß von Rechtsnormen.
Er schließt dies aus den Worten „mit Gesetzeskraft“, worunter nicht
die sormelle Gesetzeskraft verstanden werden könne. Allerdings kann hier
von einer sormellen Gesetzeskraft nicht die Rede sein. Versteht man
aber unter Gesetzeskraft nur die gleiche Gültigkeit mit den sonst in
Gesetzessorm zu tresfenden staatlichen Willensäußerungen, und etwas
anderes kann darunter nicht verstanden werden, so ist nicht abzusehen,
wie aus dem bloßen Worte „Gesetzeskraft“ irgend etwas für den Inhalt
der Notverordnungen folgen sollte.
11, Der Landtag wird jedoch den Mangel der Form zu rügen
haben. So bei der oben erwähnten Verordnung für Burotterode
vom 30. Oktober 1895.