Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

§ 82 Verkündigung und Verbindlichkeit der Gesetze. 547 
und wird nicht hinfällig mit der Widerlegung dieser Vermutung. Sie 
ergeht vielmehr auf Grund des verfassungsmäßigen Rechtes des Königs, 
bis zum Zusammentritte des nächsten Landtages auch ohne dessen sonst 
erforderliche Zustimmung gegen außerordentliche Notstände Vorkeh- 
rungen zu treffen. Dieses verfassungsmäßige Recht des Königs kann 
der Landtag durch seinen Beschluß nicht vernichten. Dagegen kann es 
keinem berechtigten Zweifel unterliegen, daß mit dem Zeitpunkte der 
Aufhebung der Notverordnung das durch sie abgeänderte oder aufge- 
hobene Recht wieder in Kraft tritt. Es entspricht dies dem allgemein 
anerkannten Rechtsgrundsatze, daß die bloße Aufhebung einer Rechts- 
norm, ohne daß etwas Neues an deren Stelle gesetzt würde, keinen 
leeren Raum schafft, sondern das vor der aufgehobenen Rechtsnorm 
geltende Recht wieder in Kraft setzt. Die aufgehobene Rechtsnorm, 
die Notverordnung, hob ihrerseits eine andere auf, die Aufhebung 
der Aufhebung bringt das alte Recht wieder zur Geltung. 
8 82. Verkündigung und Verbindlichkeit der Gesetze. 
Das Gesetz ist vorhanden mit dem Augenblicke der königlichen 
Sanktion, der Erlaß des Gesetzesbefehls durch den König schafft das 
Gesetz. Damit hat aber das Gesetz noch keine Verbindlichkeit gewonnen, 
da von diesem im königlichen Kabinette sich vollziehenden Vorgange 
niemand, der sich nach dem Gesetze richten soll, eine Kenntnis haben 
kann oder wenigstens zu haben braucht. Zur Rechtsverbindlichkeit eines 
Gesetzes gehört noch etwas Weiteres als zur Rechtsgültigkeit. Dies 
ist die Publikation oder Verkündigung. Schon das A. L.-R., Einl. 
8 10 ließ die rechtliche Verbindlichkeit der Gesetze, wie es diese auf- 
faßte, nämlich der nach vorheriger Beratung der Gesetzeskommission 
erlassenen Verordnungen bestimmten Inhalts (vgl. §8 7, 8 Einl. 
A. L.-R.) erst mit dem Zeitpunkte der gehörigen Bekanntmachung 
eintreten. Nach Art. 45 der Verfassungsurkunde ist es Sache des 
Königs, die Verkündigung der Gesetze zu befehlen. Dieser Verkündi- 
gungsbefehl wird zeitlich meist zusammenfallen mit der Sanktion, seinem 
Wesen nach ist er von dieser verschieden. 
Die Formen der Verkündigung haben jedoch vielfach gewechselt. 
Nach der Verordnung vom 24. August 17171) wurden die neuen 
Mylius, C. C. M. ., Abt. 1, S. 613. 
35°
	        
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