88 Preußen als konstitutioneller Staat (1848—1867). 49
Staatsform auf wesentlich verschiedenen Grundlagen, jedoch unter voll-
ständiger Wahrung der Rechtskontinnität.
§ 8. VII. Preußen als konstitutioneller Staat (1848—1867)1).
Ein königliches Patent vom 14. März 1848 berief den Ver-
einigten Landtag zum 27. April nach Berlin, um zu den Maßregeln
mitzuwirken, welche im Verein mit den deutschen Bundesgenossen unter
den gegenwärtigen schwierigen und gefahrvollen Verhältnissen zum
Wohle des deutschen Vaterlandes zu ergreifen seien. Nachdem jedoch
inzwischen die revolutionären Ereignisse in Wien eingetreten waren,
erging am 18. März 1848 ein neues Patent wegen beschleunigter
Einberufung des Vereinigten Landtags zum 2. April. Als Ziele der
Bewegung werden darin bezeichnet die Reorganisation der Bundes-
verfassung unter Mitwirkung einer provisorischen Bundesrepräsentation
aus den Ständen aller deutschen Länder und die Einführung der
konstitutionellen Staatssorm in Preußen. Gleichwohl brach noch an
demselben Tage die Revolution in Berlin aus, die jedoch eine Unter-
brechung der Rechtskontinuität in Preußen nicht bewirkt hat. Die
deutsche und die preußische Bewegung gehen seitdem nebeneinander
her. Erstere kann jedoch hier außer Betracht bleiben, da die ver-
fehlten Versuche einer Reform der Bundesverfassung, abgesehen von
der teilweisen Aufnahme der sogenannten Grundrechte aus dem Ent-
wurfe der Reichsverfassung in die preußische Verfassung, das öffentliche
Recht Preußens unberührt gelassen haben.
Eine königliche Proklamation vom 21. März 1848, noch vor der
Eröffnung des Vereinigten Landtages erlassen, versprach als Mittel
zur Befestigung der höheren und inneren Einheit Deutschlands die
Einführung wahrer konstitutioneller Verfassungen mit Ministerverant-
wortlichkeit in den Einzelstaaten, öffentliche und mündliche Rechts-
pflege, Geschworenengerichte, Gleichberechtigung aller Bekenntnisse und
eine wahrhaft volkstümliche freisinnige Verwaltung. Um die verheißene
konstitutionelle Verfassung „auf der breitesten Grundlage“ durchzu-
führen und gleichzeitig die Rechtskontinuität zu erhalten, wurden dem
am 2. April 1848 zusammengetretenen Vereinigten Landtage zwei
Gesetzentwürfe, ein Wahlgesetz für die zur Vereinbarung der preußischen
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1) Vgl. Bornhak, Preußische Staats= und Rechtsgeschichte,
S. 465 ff.
Bornbak, Hreußtsches Staaterecht, I. 2. Rufl. 4