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ihre rechtliche Zulässigkeit ist daher die durch die Rechtslogik mit
Notwendigkeit geforderte Folge der Umgestaltung der bisherigen
Gerichtsverfassung, der Verwandlung der Gerichte in landesherrliche
Behörden. In den kleineren deutschen Gebieten, deren Landesherren
es nicht gelang, den Einfluß ihrer Landstände zu brechen und die
Abhängigkeit ihres Landes von den Reichsgerichten zu lösen, hielten
aber Landstände und Reichsgewalt wenigstens nach Möglichkeit an
der älteren Auffassung fest, daß eine Rechtsprechung durch den
Landesherren persönlich eine rechtswidrige Handlungsweise sei. Die
Notwendigkeit, die Unstatthaftigkeit der Kabinettsjustiz sich immer von
neuem in den Landtagsabschieden verbürgen zu lassen, und die trotz-
dem immer wiederkehrenden Versuche einer persönlichen Rechtsprechung
durch den Landesherren, von der die ältere Zeit keine Spuren zeigt,
beweist aber aufs deutlichste, daß die Ausschließung des Landesherren
von der persönlichen Rechtsprechung in den veränderten Rechtszuständen
keinen Boden mehr fand, sondern nur durch äußere Machtmittel
künstlich aufrecht erhalten wurde.
Mehr als anderswo in Deutschland war in Brandenburg-Preußen
die Einwirkung der Stände auf die öffentlichen Angelegenheiten be-
seitigt, mehr als in jedem anderen deutschen Staate außer Oesterreich
das Verhältnis zur Reichsgewalt gelockert. Die neue Rechtsanschauung,
daß alle Rechtsprechung ausgehe vom Landesherren, daß alle richter-
lichen Behörden nur landesherrliche Organe seien, die persönliche Ent-
scheidung des Landesherren daher an die Stelle derjenigen seiner
Organe treten könne, mußte daher in Brandenburg-Preußen mit einer
Entschiedenheit zum Durchbruche kommen wie nirgends sonst.
Bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts ist die Zulässigkeit
der Kabinettsjustiz ein Hauptgrundsatz des brandenburg-preußischen
Staatsrechtes. Das Recht des Landesherren, die Gerichte zu organi-
sieren, ergibt sich einzig und allein daraus, daß der Landesherr die
Quelle der Rechtsprechung ist. Die höchsten preußischen Gerichte, das
Kammergericht und der Geheime Justizrat, haben sich geradezu ent-
wickelt aus der persönlichen Gerichtsbarkeit des Kurfürsten. Als die
Hofgerichte den Charakter landesherrlicher Behörden angenommen
hatten, beanspruchte der Kurfürst für sich das Recht, Beschwerden über
die Rechtsprechung dieser seiner Behörden zu entscheiden, d. h. eine
höhere Instanz über ihnen zu bilden. Derartige Beschwerden pflegte
er mit Zuziehung der am Hofe befindlichen Räte in seiner Kammer