Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

50 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 88 
Staatsverfassung zu berufende Versammlung und eine Verordnung 
über einige Grundlagen der künftigen Verfassung vorgelegt und von 
ihm genehmigt. Das Wahlrecht war allgemein und gleich, aber in- 
direkt durch Wahlmänner. 
Die „Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Verfassung“, 
kurzweg die preußische Nationalversammlung genannt, wurde am 
22. Mai 1848 vom Könige in Berlin eröffnet, und ihr ein Ver- 
fassungsentwurf vorgelegt. Es fand zwar eine Kommissionsberatung 
des Entwurfes statt, die Nationalversammlung selbst hat jedoch nur 
einige Artikel erledigt, da sich die Regierung bei der fortgesetzten revo- 
lutionären Stimmung in Berlin bewogen fand, den Sitz der Versamm- 
lung von Berlin nach Brandenburg zu verlegen, und sie bis zum 
27. November 1848 zu vertagen. Infolge des Widerstandes des 
größten Teils der Versammlung, die in Berlin vereinigt blieb und 
den ebenso gesetzwidrigen wie erfolglosen Beschluß faßte, daß das 
Ministerium nicht befugt sei, über Staatsgelder zu verfügen und 
Steuern zu erheben, konnte die Versammlung zu Brandenburg aber 
nicht beschlußfähig werden. Die Regierung mußte daher den Plan 
der Vereinbarung der Verfassung aufgeben. 
Am 5. Dezember 1848 wurde die Versammlung aufgelöst und 
gleichzeitig eine Verfassungsurkunde und ein neues Wahlgesetz ein- 
seitig vom Könige erlassen, wobei eine Revision der Verfassung im 
ordentlichen Wege der Gesetzgebung unter Mitwirkung der Kammern 
vorbehalten blieb. Da der Vereinigte Landtag in der Gesetzgebung 
nur eine beratende Stimme gehabt, die Nationalversammlung aber 
jüberhaupt kein von der Krone gebilligtes Verfassungsgesetz zustande 
gebracht hatte, so war bei Erlaß der Verfassung vom b. Dezember 
1848 das absolute Gesetzgebungsrecht des Königs noch voll in Kraft, 
der König also auch zum einseitigen Erlasse des Verfassungsgesetzes 
befugt, das einer Abänderung allerdings nur auf dem nunmehr ver- 
sassungsmäßigen Wege unter Mitwirkung der Kammern fähig war. 
Die zur Revision der Verfassung berufenen Kammern traten am 
26. Februar 1849 in Berlin zusammen. Wegen verschiedener gesetz- 
widriger Beschlüsse, die die zweite Kammer gefaßt, sah sich jedoch 
die Regierung am 27. April 1849 genötigt, sie aufzulösen und Neu- 
wahlen auf Grund eines neuen oktroyierten Wahlgesetzes anzuordnen, 
welches das Dreiklassensystem, sowie die öffentliche und mündliche 
Wahl einführte. Erst am 7. August 1849 wurden die Kammern
	        
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