8 86 Die verfassungsmäßige Justizgewalt. 575
Durch diese Bestimmungen ist die Ausübung der richterlichen
Gewalt zwar gesetzlich geregelt, aber keineswegs dem Könige voll-
kommen entzogen worden. Denn ein Recht, welches von dem Berech-
tigten für immer in keiner Beziehung mehr betätigt werden könnte,
hätte überhaupt aufgehört, ein Recht dieser Person zu sein. Indem
sofort in den folgenden Art. 87 und 89 der Verfassungsurkunde die
dem Könige bezüglich der Ausübung der richterlichen Gewalt zustehen-
den Befugnisse aufgezählt werden, wird dem Art. 86 die Erklärung
hinzugefügt, daß dem Könige keineswegs jede Ausübung der richter-
lichen Gewalt entzogen ist, sondern daß er sie nur innerhalb gewisser
gesetzlichen Schranken auszuüben hat. Der König hat nämlich die ihm
dem Rechte nach zustehende richterliche Gewalt auszuüben, indem er
die für den Erlaß der betreffenden staatlichen Anordnungen erforder-
lichen Behörden organisiert und die zur Besetzung dieser Behörden
notwendigen Beamten ernennt oder ernennen läßt. Dem Könige bleibt
auch die Gerichtsbarkeit, die ihm nicht entzogen ist, z. B. auf dem
Gebiete der Ehrengerichtsbarkeit über Offiziere.
Nach Art. 89 der Verfassungsurkunde wird die Organisation der
Gerichte durch das Gesetz bestimmt. Gesetz ist aber nichts anderes
als die mit Zustimmung des Landtages erlassene Willenserklärung
des Königs. Der König hat also unter Einholung der Zustimmung
des Landtages die für die Ausübung der richterlichen Tätigkeit erfor-
derlichen Behörden zu organisieren. Wie die richterliche Tätigkeit
sachlich keine Verschiedenheit von der anderer Behörden aufweist, so
ist auch die Organisation der Gerichte inhaltlich der Organisation
anderer Behörden vollkommen gleich. Es ist daher für die Organisation
der Gerichte lediglich auf das königliche Organisationsrecht überhaupt
zu verweisen:). Der König hat weiterhin, nachdem die Organisation
der Gerichte erfolgt ist, nach Art. 87 der Verfassungsurkunde die für
ihre Besetzung erforderlichen Beamten zu ernennen oder in seinem
Namen ernennen zu lassen. Daß der König dieses Ernennungsrecht
wie jedes andere Regierungsrecht nur innerhalb der gesetzlichen Schran-
ken auszuüben hat, ist selbstverständlich. Insbesondere hat der König bei
der Ernennung die Bestimmungen über die Befähigung zum Richter-
amte und dergleichen zu beachten. Die Einzelheiten sind jedoch, als
dem Verwaltungsrechte angehörig, an dieser Stelle nicht weiter zu
erörtern.
1) Vgl. 8 74.