52 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 88
des Großgrundbesitzes, waren teils Ueberreste der mittelalterlichen
Staatsordnung, die in die Neuzeit hinübergerettet waren, wie die
gutsherrliche Gerichtsbarkeit und Polizei, die Ausschließung der Nicht-
grundbesitzer von den politischen Gemeinderechten der Landgemeinden
und die Erbschulzenrechte in den östlichen Provinzen, die Grund-
steuerprivilegien der Rittergutsbesitzer, teils neu geschaffen durch die
neuständische Gesetzgebung der zwanziger Jahre.
Die liberale Partei suchte alle diese Vorrechte des Grundbesitzes
zu vernichten, sie womöglich durch Vorrechte des Kapitalismus zu
ersetzen. Die Patrimonialgerichtsbarkeit wurde aufgehoben durch die
Verordnung vom 2. Jannar 1849. Die neue, für alle Provinzen
wie für Stadt und Land erlassene Gemeindeordnung vom 11. März
1850 nebst dem Polizeiverwaltungsgesetze von demselben Tage be-
seitigte die gutsherrliche Polizei wie die Erbschulzenrechte und verlieh
auch für das flache Land den nicht grundbesitzenden Gemeindeange-
hörigen die politischen Gemeinderechte. Die Kreis-, Bezirks= und
Provinzialordnung vom 11. März 1850 ersetzte das neuständische.
System der Vertretung nach Grundbesitzmassen in den Kreis= und
Provinziallandtagen durch Vertretungen der Steuerzahler, in denen
die Interessen des Kapitals vorwiegen mußten. Die Mobilisierung des
Grundbesitzes wurde über die Ziele der Hardenbergischen Gesetzgebung
weit hinausgehend bis zu den Grenzen der Möglichkeit, jedenfalls
zum Teil selbst gegen das Interesse des kleineren ländlichen Grund-
besitzes durchgeführt. Endlich wurde auch die Grundsteuerreform und
die Beseitigung der Grundsteuervorrechte der Nittergutsbesitzer in An-
griff genommen, gelangte aber nicht zum Abschlusse, da inzwischen
die Herrschaft der liberalen Partei durch die der konservativen er-
setzt wurde.
Jede revolutionäre Partei, die zur Herrschaft im Staate gelangt,
trägt den Keim ihres Sturzes in sich. Es ist der besitzende Teil der
anfangs auf Seiten der Revolution stehenden Klassen, welcher aus
Sorge für sein Hab und Gut sehr bald die Herstellung der „Ord-
nung“ über alles setzt und sich dem ersten besten Gegner der Um-
wälzung, der ihm diese Ordnung zu verbürgen scheint, in die Arme
wirft. Dieser Gegner war hier der bisher bevorzugte Großgrundbesitz,
dessen parlamentarische Vertretung als konservative Partei sehr bald
die Mehrheit gewann und als die natürliche Wahrerin der staatlichen
Ordnung erschien. Der Großgrundbesitz unternahm es nunmehr, auf