Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

54 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. 88 
Ueber die Vorfrage ferner, ob der Beamte sich einer zur Straf— 
verfolgung „geeigneten“ Amtsüberschreitung schuldig gemacht, hatte 
ein besonderer Ausschuß als Kompetenzgerichtshof zu entscheiden. 
Nachdem derart die Verwaltung in den Dienst der herrschenden 
Partei gestellt war, begann die positive Tätigkeit der Gesetzgebung 
im Parteiinteresse. Eine Beseitigung der neuen Verfassung wurde nicht 
beabsichtigt. Hatte doch die Erfahrung gezeigt, daß die Repräsentativ— 
verfassung dem Großgrundbesitze einen viel größeren Einfluß zu geben 
vermöge, als die neuständischen Vertretungen, die im Vereinigten Land— 
tage gipfelten. Nur die erste Kammer wurde durch die auf Grund 
des Gesetzes vom 7. Mai 1853 erlassene Verordnung vom 12. Oktober 
1854 wegen Bildung der ersten Kammer umgestaltet zu einer Inter— 
essenvertretung des Großgrundbesitzes. Selbst wenn die konservative 
Partei die Mehrheit in der zweiten Kammer verlor, hatte sie damit 
doch durch die erste Kammer ein absolutes Veto gegen alle ihrem 
Interesse zuwiderlaufenden Gesetzentwürfe. Ein etwa wiederkehrendes 
liberales Regiment war dadurch in der Gesetzgebung zum voraus 
brachgelegt. 
Demnächst sah es die herrschende Richtung als ihre Hauptauf— 
gabe an, die aus der liberalen Periode stammenden Organisationen 
der kleineren Kreise des staatlichen Lebens in ihrem Sinne umzu— 
gestalten. Die Patrimonialgerichtsbarkeit blieb allerdings mit einer 
aus dem Verhältnisse Preußens zum Deutschen Bunde sich recht— 
fertigenden Ausnahme zugunsten der Standesherren, denen gewisse 
Präsentationsrechte eingeräumt wurden, beseitigt. Dagegen wurde die 
neue Gemeindeordnung, die freilich infolge der mangelnden Berück- 
sichtigung der vorhandenen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse 
kaum durchführbar war, sowie die Kreis-, Bezirks= und Provinzial- 
ordnung vom 11. März 1850 aufgehoben. An die Stelle der Ge- 
meindeordnung traten neue Gesetze, verschieden für Stadt und Land, 
die sich möglichst an das frühere Recht anschlossen. Insbesondere 
wurde für die östlichen Provinzen die die Alleinherrschaft des Grund- 
besitzes sichernde subsidiäre Landgemeindeordnung des A. L.-R. II, 7 
mit einigen Abänderungen wieder in Kraft gesetzt. Damit war die 
patrimoniale Verwaltung der Gemeinden durch Lehnschulzen unter 
Aufsicht der Gutsherren ins Leben zurückgerusen. In engster Ver- 
bindung damit stand die Wiederherstellung der gutsherrlichen Polizei, 
soweit sie sich bis zum Jahre 1848 erhalten hatte, d. h. für die öst-
	        
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