Zweites Buch.
Allgemeine Tehren.
Erster Rbschnikt. Grundbrgriffe.
8 10. Der Begriff des Staatest).
Der Staat ist eine Organisation von Menschen und zwar die
höchste Organisation menschlichen Gemeinschaftslebens. Er bildet die
von jeder höheren irdischen Gewalt unabhängige Herrschaft über Land
und Leute, Staatsgebiet und Staatsangehörige. Er ist Subjekt und
Inhaber dieser Herrschaftsgewalt, vermöge deren er seine Aufgaben
verwirklicht.
Den Staat selbst als Subjekt und Träger dieser Herrschaftsgewalt
zu bezeichnen, ist gewiß zutreffend. Aber da für Staat und Recht
der Mensch das Maß aller Dinge ist, wird durch eine solche Bezeich-
nung die weitere Frage nicht gelöst, wo diese Herrschaftsgewalt sitzt,
welchen Menschen sie zusteht. Denn der Staat an sich ist nur eine
1) Eine allgemeine Erörterung über Wesen, Entstehung, Zweck und
Gestaltung des Staates ist hier nicht beabsichtigt. Ich kann in dieser
Hinsicht lediglich auf meine Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Berlin
1909, verweisen. Dort finden sich auch Angaben über die Literatur
und Auseinandersetzungen mit abweichenden Ansichten. Hier sollen nur
die wesentlichen allgemeinen Grundsätze, die dem positiven Staatsrechte
zugrunde liegen, kurz angedeutet werden. Diese allgemeinen Grund-
sätze sind hinwiederum nicht Ergebnis philosophischer Spekulation, son-
dern ihrerseits geschöpft aus der Betrachtung des geschichtlichen und
positiven Staates. Nur auf diese Weise kann die Erörterung des
Allgemeinen und des Besonderen wechselseitig befruchtend wirken und
sich ergänzen.