Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 11 Staatsrechtlicher Charalter des preußischen Staates. 67 
genossenschaftlich oder herrschaftlich. Ein Drittes gibt es nicht. Das 
gilt auch vom Staate. 
Grund und Quelle der staatlichen Gewalt kann das Volk 
sein, die Gesamtheit der Staatsangehörigen, die sich durch bie Ver- 
fassung zum Staate konstituieren und die einzelnen Funktionen auf 
verschiedene Träger verfassungsmäßig übertragen. Das ist der Staat 
der Volkssouveränetät in den modernen demokratischen Republiken, 
aber auch in den parlamentarischen Monarchien nach belgischem Typus. 
Oder alle Rechte der Staatsgewalt sind in einer einzigen physi- 
schen Person vereinigt, die sich vermöge der Thronfolge in verschiedenen 
Individnen fortsetzt. Das ist der Staat des monarchischen Prinzips. 
Hier ist der Monarch nicht etwa das Organ einer hinter ihm stehenden 
Abstraktion des Staates, sondern wie er alle Rechte der Staatsgewalt 
hat, so ist in ihm die Staatspersönlichkeit schlechthin zu sehen, die 
sich mit allen ihren Rechten in einem einzelnen Individuum ver- 
körpert. 
Ob ein Staat die genossenschaftliche oder die herrschaftliche Organi-- 
sation besitzt, ist das Ergebnis seiner geschichtlichen Entwicklung. Keine 
ist an sich besser oder schlechter, sondern jede geschichtlich gegeben. 
Dic deutschen Einzelstaaten sind geschichtlich lediglich Schöpfungen 
ihrer Dynastien, wodurch das ursprünglich einheitliche deutsche Volk 
in verschiedene Staatsvölker verteilt wurde. Weder Naturrecht noch 
Konstitutionalismus konnten angesichts dieses geschichtlichen Rocher 
de bronce der monarchischen Souveränetät der Volkssonveränetät Ein- 
gang verschaffen. Daß die Herrscher Preußens ihre Krone von Gott 
und nicht von Volkes und Parlamentes Gnaden haben, kann nur 
geschichtliche und politische Unbildung beanstanden. 
Auch der konstitutionelle Staat auf dem Boden des monarchischen 
Prinzips stellt nicht die Unterwerfung der Monarchie unter eine höhere 
Gewalt des Staates oder des Volkes dar, sondern ist verfassungs- 
mäßige Selbstbeschränkung des Monarchen als Staatspersönlichkeit. 
§ 11. Staatsrechtlicher Charakter des preußischen Staatest). 
Die unterscheidenden Merkmale des preußischen Staates von 
anderen Staaten liegen wesentlich in zweien seiner Eigenschaften. Der 
1) Vgl. Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, 4. Aufl., 
Bd. 1, S. 1 ff.; derselbe im Oesfentl. Recht der Gegenwart (sog. kleiner 
Laband) 5. Aufl., Tübingen 1909, S. 15 ff.; Seydel in Hirths 
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