Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

76 Allgemeine Lehren. 8 13 
recht die Normen, nach denen der Staat seine Herrschaft durch andere 
ausüben läßt!). Davon scheiden jedoch die Gebiete aus, die wie Straf— 
und Prozeßrecht zwar auch Regelung der Behördentätigkeit sind, sich 
aber geschichtlich längst zu besonderen Rechtsdisziplinen entwickelt haben. 
Der Staat ist nun die unabhängige Herrschaft über Land und 
Leute. Diejenigen Rechtssätze, welche die Ausübung der Herrschaft durch 
den Staat selbst, d. h. den König, zum Gegenstande haben, zerfallen 
1) Die Bestimmung der Grenzen zwischen Verfassungs- und Ver- 
waltungsrecht, insbesondere zwischen einem Teile des Verfassungsrechtes, 
der Regierung, und der Verwaltung ist außerordentlich schwierig, und 
die Feststellung einer klaren Grenze zwischen beiden in der bisherigen 
Literatur noch nicht gelungen. Man kann in ihr drei Nichtungen 
unterscheiden. Die eine weist das Verwaltungsrecht aus dem Staats- 
rechte überhaupt aus, die andere verschmilzt es vollständig mit dem 
Verfassungsrechte, die dritte trennt zwar Verfassungs= und Verwal- 
tungsrecht, erkennt jedoch beide als Bestandteile des Staatsrechtes an, 
ohne aber einen festen Einteilungsgrund zu finden. Die erste Nich- 
tung ist begründet von Gerber, Grundzüge eines Systems des 
deutschen Staatsrechtes, Beilage III, ihr Hauptvertreter ist gegen- 
wärtig Laband. Hiernach wird das Verwaltungsrecht aus dem 
Staatsrechte verwiesen und ihm ein von diesem wesentlich 
verschiedener Charakter beigelegt. Laband — Archiv für ösffent- 
liches Recht, II, S. 155 — spricht dem Verwaltungsrechte über- 
haupt seinen einheitlichen Charakter ab und erklärt es für eine 
Verbindung aus Privat-, Straf-, Staats= und ProzeHrecht, womit es 
seine Berechtigung als besonderes Rechtsgebiet zweifellos verloren hätte. 
Die zweite Richtung, die verbreitetste, deren Vertreter man daher nicht' 
aufzuzählen braucht, knüpft die Verwaltung unmittelbar an einen Teil 
des Verfassungsrechtes, das Regierungsrecht, an und unterscheidet gar 
nicht zwischen Regierungs= und Verwaltungsrecht. Jür die dritte Rich- 
tung, welche Verfassungs-- und Verwaltungsrecht treunt, aber beide als 
Bestandteile des Staatsrechtes auffaßt, bilden meist Zweckmäßigkeits- 
gesichtspunkte den Einteilungsgrund. Hiernach soll das Staatsrecht 
die obersten Grundsätze, das Verwaltungsrecht die Einzelheiten zum 
Gegenstande haben. Das entspricht der französischen Scheidung von 
Qouvernement und Administration. Aber zwischen beiden gibt es keine 
feste Grenze. Sie wird auch nicht dadurch gewonnen, daß man mit 
L. Stein, Verwaltungslehre, Teil I, 2. Aufl., Stuttgart 1869, im 
Anschlusse an die Hegelsche Philosophie die Gesetzgebung als Wille, 
die Regierung als Tat an sich, die Verwaltung als konkrete Tat 
bezeichnet. Denn der Wille tritt erst durch die Tat in Erscheinung, 
und was ist Tat an sich, und was konkrete Tat?7
	        
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