Erstes Buch.
Grundzüge der preuhischen Verfassungsgeschichte.
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§ 1. Grundlagen.
Jede Darstellung der öffentlichen Verhältnisse Deutschlands oder
eines Teils von ihm ist erschwert durch die Doppelbildung des Reichs-
und Landesrechtes. Das Staatsrecht Englands und Frankreichs ist
das eines einheitlichen staatlichen Organis##us, der alle Eigenschaften
eines solchen in sich vereinigt. Anders in Deutschland. Das Reichs-
staatsrecht läßt auf den ersten Blick erkennen, daß wir es mit einer
unvollständigen staatlichen Bildung zu tun haben, die große Gebiete
der staatlichen Tätigkeit nicht für sich in Anspruch nimmt, sondern
selbständigen staatlichen Organisationen überläßt. Dieselbe Unvoll-
kommenheit wohnt andererseits den Einzelstaaten bei. Es ist offenbar,
daß sie allein nicht bestehen können, sondern einer ergänzenden staat-
lichen Gewalt bedürfen. Reich und Einzelstaat zusammen stellen erst
das dar, was z. B. in England und Frankreich der Staat ist. Diese
Wechselwirkungen zwischen dem Reiche und seinen Teilen ziehen sich
durch die ganze deutsche Entwicklung hindurch, indem bald das eine,
bald das andere den vorwiegenden Faktor des staatlichen Lebens dar-
stellt, ohne daß doch jemals einer von beiden ganz verschwände.
Was insbesondere Preußen betrifft, so ist in dem Stammlande
der Monarchie, der Mark Brandenburg, die Einwirkung der Reichs-
gewalt aus Gründen, die sich im Laufe der Darstellung ergeben
werden, schwächer gewesen als in anderen Gebieten. Es erklärt sich
hieraus, daß schon in frühen Zeiten das Staatswesen eine von Kaiser
Bornbak, preußlsches Staatsrecht. I. 2. Rufl. 1