Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

82 Allgemeine Lehren. 8 14 
III. Als in Preußen mit Erwerbung der Königswürde der 
Landesherr souveräner Herrscher wenigstens in einem Teile des 
Staatsgebietes geworden war, nahm er für sich die Herrschaft auch 
über die Mitglieder seines Hauses in Anspruch. Wenn auch das Reichs— 
recht stets an der Reichsunmittelbarkeit der Mitglieder des königlichen 
Hauses festhielt, so betrachtete der König sie doch als seine Unter- 
tanen. Er hielt sich daher zum Erlasse einseitiger Verordnungen über 
Angelegenheiten seiner Familienmitglieder befugt. Seit dem 18. Jahr- 
hundert kommen daher in Preußen einseitige Anordnungen des regie- 
renden Herren vor, welche dieser auf Grund des ihm staatsrechtlich 
zustehenden unbeschränkten Gesetzgebungsrechtes für seine Familie er- 
läßt. Die verbindliche Kraft dieser Anordnungen ergibt sich daraus, 
daß die landesherrliche Familie dem Gesetze unterworfen ist, welches 
der verfassungsmäßige Inhaber der gesetzgebenden Gewalt für sie 
erläßt. 
Bei ihrem Bestreben, den Familienbesitz unteilbar in einer Hand 
zusammenzuhalten, hatten die Hausgesetze bis in das 18. Jahrhundert 
hinein einen durchaus privatrechtlichen Charakter. Es war nicht der 
staatsrechlliche Gesichtspunkt der Unteilbarkeit des Staates, welcher den 
Erlaß und den Inhalt der Hausgesetze bestimmte, sondern der auch 
bei dem niederen Adel sich in späterer Zeit immer mehr geltend 
machende Wunsch, zur Erhaltung des Glanzes der Familie den Fa- 
milienbesitz, möglichst vereinigt, einem einzigen zu hinterlassen, die 
Nachgeborenen aber anderweitig abzufinden und zu versorgen. Dieser 
Charakter der Hausgesetze entsprach der Natur des ständischen Patri- 
monialstaates, der alle Hoheitsrechte von der Spitze bis in die kleinsten 
Kreise des staatlichen Lebens mit dem Grundbesitze zu einer privat- 
rechtlichen Einheit verschmolz. Dem privatrechtlichen Inhalte gemäß 
ist auch die Form der Hausgesetze überwiegend die des privatrechtlichen 
Vertrages der Agnaten, während in dem Staatsrechte, wo sich nur 
der Herrscher als Gebieter und die Untertanen als Gehorchende 
gegenüberstehen, der Vertrag, wenn überhaupt, nur eine unbedeutende 
Stätte hat. 
Nachdem sich jedoch seit den Zeiten des Großen Kurfürsten aus 
den deutschen Gebieten der moderne Staat entwickelt hatte, war es 
ein innerer Widerspruch, daß die wichtigsten Rechtsverhältnisse des 
Staates sich nach den Regeln des Privatrechts bestimmten, und auch 
Abänderungen dieser Bestimmungen nur auf privatrechtlichem Wege
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.