Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 15 Das vom Staate gesetzte Recht. 87 
5. Dezember 1848. Vor Erlaß der Verfassungsurkunde stand dem 
Könige die Befugnis zum Erlasse rechtlicher Normen ohne jede Be- 
schränkung zu. Alle von ihm getroffenen Anordnungen waren unbe- 
dingt verpflichtend für die Behörden wie für alle anderen Untertanen, 
diese Anordnungen mochten in eine Form gekleidet sein, welche sie 
wollten. Man konnte daher von der königlichen Gewalt sagen: „Quocl 
principi placuit, legis habet vigorem.“"5) 
Von den königlichen Anordnungen, welche neue Rechtssätze aus- 
sprechen, scheiden jedoch als selbständige Gruppe diejenigen aus, durch 
welche die besonderen Rechte und Pflichten der Bürger bestimmt oder 
die gemeinen Rechte abgeändert, ergänzt oder erklärt werden sollen 
(§ 7 Einl. A. L.-R.). Es sind dies die Gesetze im technischen Sinne, 
welche sich nicht decken mit dem Begriffe der Rechtsnormen überhaupt. 
Für den Erlaß der „Gesetze“ sind besondere Formen vorgeschrieben. 
Der König wollte das Gesetzgebungsrecht nicht willkürlich üben, sondern 
nur nach reiflicher Prüfung und Vorbereitung der Gesetzentwürfe. 
Durch ein königliches Patent vom 29. Mai 17814) war daher eine 
Gesetzkommission gebildet. Das Patent bestimmte, „daß, wenn wegen 
Erteilung neuer oder Abschaffung alter gesetzlicher Verordnungen, 
welche nicht etwa bloß die Staatswirtschaft oder Finanzverwaltung 
betrafen, dem Könige Vortrag zu machen sei, die Gesetzkommission 
niemals übergangen, sondern jedesmal mit ihrem Gutachten darüber 
vernommen, und keinem Edikt oder Reskript, welches nicht nach vor- 
heriger Erforderung dieses Gutachtens zur königlichen Vollziehung ge- 
bracht worden, irgend eine gesetzliche Kraft beigelegt werden solle.“ 
Außerdem war die authentische Interpretation der Gesetze Aufgabe 
der Gesetzkommission. Nachdem ihr durch die Kabinettsorder vom 
8. März und das Reskript vom 21. März 17985) das Recht der 
authentischen Interpretation in rechtshängigen Sachen entzogen war, 
blieb sie auf die Vorbereitung der zu erlassenden Gesetze beschränkt. 
Nach der Vorschrift des Patents vom 29. Mai 1781 war die Ein- 
holung des Gutachtens der Gesetzkommission wesentliche Form, ohne 
die die Verordnung selbst ungültig war. Das A. L.-R., Einl. §8 7—9, 
verlangte zwar ebenfalls noch die vorherige Einforderung eines Gut- 
8) L. 1 pr. D. de const. princip. 1,. 4. 
1) Novum Corpus Constitutionum VII, 1, Nr. 20. 
5) N. C. C. X, 3, Nr. 23; Anhang § 2 zum A. L.-R. Einl. § 48.
	        
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