Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

100 Das Verwaltungsrecht. 897 
treters des öffentlichen Interesses in den vorgeschriebenen pro— 
zessualischen Formen die Entscheidung der unteren Behörde ab— 
zuändern. Wegen dieser Besonderheiten scheidet man meist die 
richterlichen Behörden aus dem Organismus der allgemeinen 
Landesverwaltung überhaupt aus. Ihrem Inhalte nach ist die 
richterliche Entscheidung von derselben Natur wie die jeder anderen 
Behörde?). Der Unterschied besteht einzig und allein in der be— 
sonderen Regelung des Abhängigkeitsverhältnisses der unteren Be— 
hörde von der oberen. Diese Tatsache mochte zu einer Sonderung 
Veranlassung geben, so lange es einzig und allein die Zivil- 
und Strafgerichte waren, die in ihrer amtlichen Tätigkeit vor 
Eingriffen oberer Behörden in dem einzelnen Falle eine gewisse 
Unabhängigkeit genossen. Dieser Zustand hat aber gegenwärtig 
längst aufgehört. Die richterliche Unabhängigkeit ist keine Be- 
sonderheit der Zivil= und Strafgerichte mehr. Die Oberrechnungs- 
kammer, deren Aufgaben auf ganz anderem Gebiete liegen als 
die der Gerichte, ist ebenso unabhängig wie diese von jeder über- 
geordneten Macht. Eine ähnliche Stellung nehmen die ver- 
schiedenen Verwaltungsgerichte ein. Auch zahlreichen anderen Be- 
hörden gegenüber ist der Aufsicht der übergeordneten Organe eine 
gewisse gesetzliche Schranke gezogen. Ein auf rein logischen Gesichts- 
punkten beruhender Unterschied zwischen richterlichen und nicht- 
richterlichen Behörden läßt sich daher überhaupt nicht mehr ziehen. 
Eine Ausscheidung der richterlichen Behörden aus dem Systeme 
der allgemeinen Landesverwaltung entspricht nur einer allgemeinen 
Uebung. 
Das System der allgemeinen Landesverwaltung besteht also 
darin, daß der Staat die Ausübung seiner Rechte bestimmten 
Organen innerhalb des ihnen überwiesenen örtlichen und sachlichen 
Geschäftskreises überträgt vorbehaltlich der Aufsicht und Leitung, 
die die höchste Staatsgewalt nach Maßgabe der bestehenden Rechts- 
ordnung entweder selbst ausübts) oder durch ihre Organe aus- 
üben läßt. Die Behörden sind also keine Rechtssubjekte. Ebenso- 
wenig wie der Bevollmächtigte als solcher dritten Personen gegen- 
über als Rechtssubjekt in Betracht kommt, sind die Behörden 
Träger eigener Rechte und Verpflichtungen. Sie vertreten den 
2) Vgl. 8 86. 
3) VgI. § V76. 
 
	        
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