102 Das Verwaltungsrecht. 8 98
örtlichen und sachlichen Zuständigkeit. Der Unterschied besteht aber
darin, daß hier die Behörden nicht unmittelbare Organe des
Staates sind, der Staat vielmehr die Erfüllung der ihm ob—
liegenden Aufgaben auf selbständige Korporationen überträgt, die
ihrerseits ihre Organe handeln lassen.
Man hat das Wesen der kommunalen Verbände darin sehen
wollen, daß sie, zum Teil älter als der Staat selbst, ein von
diesem unabhängiges Leben führen und eigene Aufgaben er—
füllen, aber zugleich notwendige Glieder des Staatsorganismus
bilden. Sie sollen also in sich eine doppelte Eigenschaft verbinden,
einerseits Organismus für sich, um ihrer selbst willen bestehende
Persönlichkeit mit selbständigem Lebensberufe, nicht bloß Staats-
anstalt, und andererseits Glied des Staates, Mitträger der Staats-
persönlichkeit seine).
Diese Auffassung erscheint falsch. Der Kommunalverband kann
seinem Wesen nach keinen vom Staate unabhängigen Bestand
haben. Das Alter des Stammbaums kann doch wohl für das Wesen
einer Rechtsanstalt nicht ernstlich in Betracht kommen. Es mag
sein, daß bisweilen Genossenschaften, aus denen sich später
kommunale Verbände entwickelten, früher bestanden als der Staat,
obgleich auch dies für den brandenburg-preußischen Staat eine
geschichtliche Unwahrheit ists). Aber selbst wenn es solche Ge-
nossenschaften vor dem Staate gegeben haben sollte, so waren
sie doch damals noch keine Kommunalverbände. Der Ausspruch
des Aristoteles, daß der Staat älter sei als die Bürger, weil
das Ganze früher bestehen müsse als seine Teile, trifft auch hier
zu. Es konnte vielleicht Menschen geben, ehe es Staaten gab,
aber keine Bürger oder nach heutiger Auffassung Staatsangehörige,
es konnten Genossenschaften von Menschen zur Erfüllung gemein-
samer Aufgaben bestehen, aber keine Kommunalverbände.
2) So Gerber, S. 63; Gierke, Genossenschaftsrecht S. 782;
H. Schulze, Pr. St. Bd. 1, S. 441; Rosin in Hirths Ann. S. 291
und Recht der öffentl. Genossenschaft, S. 41; L. v. Stein a. a. O.
Eine Auseinandersetzung mit den weiteren geistvollen Ausführungen L. v.
Steins über das Wesen des Kommunalverbandes erscheint hier ausge-
schlossen, da sie nicht dem positiven Rechte, sondern der Politik angehören,
insbesondere eng zusammenhängen mit der für das preußische Recht
nicht zu billigenden Lehre Steins von der vollziehenden Gewalt.
2) Vgl. über die Begründung der Dörfer, der Städte, der Kreise die
Ausführungen in meiner Preußischen Staats= und Rechtsgeschichte.