8 98 Das System der Kommunalverwaltung. 109
verwaltung die gesetzlichen Schranken innehält, sie kümmert sich ab-
gesehen von den gesetzlich festgestellten Ausnahmefällen nicht darum,
ob eine Verwaltungsmaßregel im einzelnen Falle zweckmäßig ist
oder nicht. Soweit hiernach eine kommunale Verwaltungsmaß-
regel von einem staatlichen Aufsichtsorgane wegen Rechtswidrig-
keit beanstandet wird, steht hiergegen der Korporation die Klage
im Verwaltungsstreitverfahren zu.
Die Kommunalverwaltung hat man nun vielfach gleichgestellt
oder in Beziehung gesetzt mit der Selbstverwaltunge).
Der Begriff der Selbstverwaltung ist im Anschlusse an das
englische Selfgovernment besonders entwickelt worden in den
Schriften Gneists über englisches Verwaltungsrecht. Nach ihm ist
Selbstverwaltung „eine innere Landesverwaltung der Kreise und
Ortsgemeinden nach den Gesetzen des Landes durch persönliche
Ehrenämter unter Aufbringung der Kosten durch kommunale Grund-
steuer.“ Offenbar begreift die Selbstverwaltung hiernach teils mehr
teils weniger als die Kommunalverwaltung. Sie umfaßt auch
diejenigen Fälle, in denen eine Verwaltung durch Ehrenämter
nach dem Systeme der allgemeinen Landesverwaltung stattfindet,
und sie würde diejenigen Fälle nicht umfassen, in denen die Kom-
munalverwaltung durch besoldete Beamte geführt wird. Je nach-
dem die Selbstverwaltung allgemeine Landesverwaltung oder Kom-
munalverwaltung ist, bezeichnet sie Gneist als obrigkeitliche oder
als wirtschaftliche Selbstverwaltung. Der gemeinsame Grundzug
beider ist also die Verwaltung durch Ehrenämter. Indem Gneist
aber selbst unausgesetzt wiederholt, daß alle Aemter der Selbst-
verwaltung den reinen Amtscharakter haben, daß die Ehren-
beamten rechtlich den Berufsbeamten gleichstehen, erklärt er,
das auf dem Gebiete der allgemeinen Landesverwaltung ein recht-
licher Unterschied zwischen obrigkeitlicher Selbstverwaltung und der
") Gluth, Die Lehre von der Selbstverwaltung im Lichte formaler
Begriffsbestimmung, Prag 1887; Neukamp, Der Begriff der Selbst-
verwaltung im Rechtssinne im Archiv für öffentl. Recht Bd. 4 (1889),
S. 377ff., 525ff; Blodig, Die Selbstverwaltung als Rechtsbegriff,
Wien 1894; Hatschek, Die Selbstverwaltung, Leipzig 1898. Das
Wort „Selbstverwaltung“ taucht um die Mitte des 19. Ihds. auf in
offenbarer Anlehnung an das englische Selfgovernment und bedeutet
in Deutschland den Anspruch der Gemeinde auf möglichste Freiheit von
staatlicher Bevormundung, so z. B. in der preußischen Gesetzgebung vom
11. März 1850.