Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

110 Das Verwaltungsrecht. g 98 
Verwaltung durch berufsmäßige Beamte nicht besteht. Der Unter— 
schied ist nicht rechtlich, sondern politisch, und ebenso ist das, 
was obrigkeitliche und wirtschaftliche Selbstverwaltung miteinander 
gemein haben, ein politischer, kein rechtlicher Gesichtspunkt. Aus 
allen Gneistschen Schriften ergiebt sich, daß er mit dem Worte 
„Selbstverwaltung“ nie etwas anderes verbindet oder verbunden 
hat als einen rein politischen Begriff. 
Bei der herrschenden Vermengung von Staatsrecht und 
Politik fühlte man sich aber sehr bald gedrungen, das Wort „Selbst- 
verwaltung“ auf das juristische Gebiet zu übertragen. Dabei 
mußten sich sofort unermeßliche Schwierigkeiten ergeben. Nach 
der Gneistschen Begriffsbestimmung haben juristisch obrigkeitliche 
und wirtschaftliche Selbstverwaltung absolut nichts miteinander 
gemein, und gleichwohl mühte man sich, für beide einen einheitlichen 
juristischen Begriff zu entdeckento). Daß diese Quersprünge aus 
dem Gebiete der Politik in das des Staatsrechts ihr Ziel ver- 
fehlen mußten, ist selbstverständlich. Man mußte für die juristische 
Begriffsbestimmung einen anderen Ausgangspunkt wählen als für 
die politische. . 
Einen Versuch hierzu macht H. Schulzen), indem er dem 
englischen Begriffe der Selbstverwaltung einen deutschen gegenüber- 
stellt und letzteren für gleichbedeutend erklärt mit der Kommunal- 
verwaltung. Dieser Ausgangspunkt ist denkbar, nur mit der Maß- 
gabe, daß der sogenannte englische Begriff gar kein Rechtsbegriff 
ist und nach den Gneistschen Ausführungen nie hat sein sollen. 
Allein man muß sich doch fragen, wozu die Verpflanzung der 
Selbstverwaltung auf das juristische Gebiet dienen soll, wenn damit 
nichts anderes erreicht wird als die Ersetzung des völlig klaren 
und unzweideutigen Wortes „Kommunalverwaltung“ durch „Selbst- 
verwaltung.“ 
Einen anderen Versuch der juristischen Verwertung hat 
Labandis) unternommen. Er verwirft die Gneistsche Auffassung 
der Selbstverwaltung als eines Zwischenbaues zwischen Staat und 
Gesellschaft, da die Gesellschaft kein Begriff des Staatsrechts, 
  
10) Vgl. über diese Versuche die betreffenden Ausführungen bei La- 
band, Staatsrecht des Deutschen Reiches Bd. 1, S. 102ff. 
11) H. Schulze, Pr. St. Bd. 1, S. 438. 
13) A. a. O. Ausführlicher in den beiden ersten Auflagen.
	        
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