Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

112 Das Verwaltungsrecht. 8 99 
Staatsverwaltung ist entweder unmittelbar oder mittelbar. Diese 
Einteilung ist in jeder Beziehung erschöpfend, es gibt kein drittes 
Verwaltungssystem. 
Die Grenze zwischen unmittelbarer und mittelbarer Staats- 
verwaltung, allgemeiner Landesverwaltung und Kommnnalver- 
waltung kann nun verschieden gezogen sein, bisweilen überwiegt 
das eine, bisweilen das andere System. Maßgebend hierfür ist 
der gesellschaftliche und wirtschaftliche Zustand, der in dem posi- 
tiven Rechte seinen Ausdruck findet, es sind also Gründe der 
Politik, nicht des Rechtes. Je weiter die Staatseinheit durch- 
geführt ist, um so mehr tritt die Verwaltung der kommnnalen 
Verbände in den Hintergrund, besonders wenn der Staat den 
Kreis seiner Aufgaben ziemlich enge zieht. Der starken Ent- 
wicklung der Staatsgewalt in England während des Mittelalters 
entsprach es, daß die kommunale Verwaltung des altenglischen 
Staates bedeutungslos erscheint. Selbst diejenigen Verwaltungs- 
zweige, die nach unserer Auffassung Gegenstand der Kommunal-= 
verwaltung sein müssen, wie Armen= und Wegeangelegenheiten, 
folgten in England dem Systeme des obrigkeitlichen Selfgovernment, 
also der allgemeinen Landesverwaltung. Umgekehrt war die Ent- 
wicklung auf dem Festlande. Die Schwäche der mittelalterlichen 
Staatsgewalt nötigte hier zur Ueberlassung der Verwaltung an 
örtliche Gewalten im umfassendsten Maße. Fast die gesamte Ver- 
waltung unterster Instanz war hier, soweit sie nicht Gutsherren 
zustand, Kommunalverwaltung, so daß für die unmittelbare Staats- 
verwaltung nichts übrig blieb. Erst die neuere Zeit, das 19. Jahr- 
hundert, hat bei der Verteilung der Staatsaufgaben zwischen all- 
gemeiner Landesverwaltung und Kommunalverwaltung eine An- 
näherung des altenglischen und des altkontinentalen Systems her- 
beigeführt, so daß gegenwärtig beide einander im wesentlichen gleich- 
stehen. In England hat in ausgedehntester Weise eine Ueber- 
tragung der Staatsaufgaben auf kommunale Verbände statt- 
gefunden, das System der Boards verdrängt mehr und mehr das. 
der obrigkeitlichen Selbstverwaltung. Dagegen hat auf dem Fest- 
lande der Staat den Kommunalverbänden zahlreiche Geschäfts- 
zweige, besonders Gerichtsbarkeit und Polizei entzogen und in 
unmittelbare Staatsverwaltung genommen. Im übrigen muß es 
der Darstellung der Einzelgebiete der Verwaltung überlassen bleiben,
	        
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