Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 100 Geschichtliche Entwicklung der Städteverfassungen. 119 
Die Selbsttätigkeit im Interesse der Gemeinde erforderte, daß 
die städtischen Organe selbständig anzuordnen und zu beschließen 
hatten, nicht mehr bloß ausführende Organe des höheren staat- 
lichen Willens waren. Die übermäßige Ausdehnung der staat- 
lichen Aufsicht bis zur eigenen staatlichen Verwaltung der städtischen 
Angelegenheiten hörte auf. Daß die Städteordnung hierbei über 
das Ziel hinausschoß und die staatliche Aufsicht allzu sehr ab- 
schwächte, liegt in dem Wesen einer Gesetzgebung, welche den be- 
stehenden Rechtszustand bewußterweise abändern will. Die Selb- 
ständigkeit der Gemeinden erheischte weiterhin eine neue Gestaltung 
der städtischen Behörden. Der Schwerpunkt der städtischen Ver- 
waltung wurde in die Versammlung der aus der Wahl der Bürger- 
schaft hervorgehenden Stadtverordneten gelegt. Sie hatten ihrer- 
seits das ausführende Organ der städtischen Verwaltung, den 
Magistrat, zu wählen, dessen Mitglieder der Bestätigung der Re- 
gierung bedurften. Der freien Beschließung der Stadtverordneten 
und der Verwaltungstätigkeit des Magistrats wurde die ganze 
Kommunalverwaltung überlassen, ohne daß der Regierung eine 
irgendwie erhebliche Einwirkung zustand. 
Diese Selbständigkeit der städtischen Behörden war aber nur 
möglich, wo kein erhebliches Staatsinteresse im Wege stand, auf 
dem Gebiete der Wohlfahrtspflege und der städtischen Vermögens- 
verwaltung. Die Gerichtsbarkeit und Sicherheitspolizei konnte der 
Staat nicht einer so weitgehenden städtischen Selbständigkeit über- 
lassen. Hand in Hand mit der Ausdehnung der städtischen Selb- 
ständigkeit mußte daher die Beschränkung des Umfanges der kom- 
munalen Tätigkeit gehen. Die Gerichtsbarkeit übertrug der Staat 
besonderen staatlichen Behörden. Die Sicherheitspolizei nahm er 
zwar ebenfalls wieder für sich in Anspruch, behielt sich jedoch vor, 
wo er keine eigenen Polizeidirektionen errichtete, ihre Auslbung 
dem Magistrate zu übertragen, der sie sodann vermöge Auftrags 
ausübte, also als Staatsbehörde gleich jeder anderen handelte. 
Trotz zahlreicher Mängel im einzelnen, wie sie bei einem 
ersten Versuche auf einem neuen Wege natürlich sind, hat die 
Städteordnung von 1808 die dauernden Grundlagen der städtischen 
Verfassung in Preußen bis auf den heutigen Tag hergestellt. Sie 
vereinigt die Selbständigkeit der städtischen Gemeinden mit dem 
Interesse des Staates an der Handhabung der Verwaltung nach,
	        
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