8 111 Geschichtliche Entwickllung der Landgemeindeverfassungen ꝛec. 207
Neben diesen größeren, Gütern bestanden ohne jede rechtliche
Beziehung zu ihnen die bäuerlichen Besitzungen, welche ortsschafts-
weise unter einem staatlichen Beamten, dem Schulzen, vereinigt
wurden. Die Gründung der Dörfer war in der Weise erfolgt,
daß der Landesherr sie einer einzelnen Person gegen Verleihung des
erblichen Schulzenamtes über das Dorf in Entreprise gab. Der
Schulze hatte von der ihm überwiesenen Dorfflur die einzelnen
bäuerlichen Besitzungen abzugrenzen und mit Bauern zu besetzen.
Kein Bauer erhielt jedoch sein Gut als völlig freies Eigentum,
sondern der Landesherr blieb Obereigentümer von allem Grund
und Boden. Der Bauer hatte daher dem Landesherren von seinem
Gute einen bestimmten Zins zu zahlen und Hand= und Spann-
dienste im militärischen Interesse, wie Wagendienst, Burgfrohnen
und dergleichen zu leisten. Ebenso blieb über das Schulzengut
der Landesherr als Lehnsherr Obereigentümer. Der Schulze war
zur Leistung des Lehnskriegsdienstes zu Roß und zur Entrichtung
einer Lehenware verpflichtet.
Ueber die in dem Dorfe angesessenen Personen übte nun
der Schulze die Ortspolizei als Organ des landesherrlichen Vogtes,
sowie eine niedere Gerichtsbarkeit in unbedeutenden Strafssachen
und nichtstreitigen Zivilsachen. Er war endlich landesherrlicher
Finanzbeamter, dem die Einforderung der Leistungen der Bauern
für den Landesherren oblag. Das Dorf bildete also den untersten
Bezirk für die allgemeine Landesverwaltung des flachen Landes.
Dagegen hatte es nicht den Charakter eines Kommunalverbandes.
Zwar bestand in manchen Beziehungen eine wirtschaftliche Gemein=
schaft zwischen den einzelnen Bauern, gemeinsame Weide, gemein-
samer Wald. Diese Gemeinschaft war jedoch ein rein privat-
rechtliches Gesamteigentum der Bauern, eine öffentlichrechtliche
Genossenschaft bildeten die Landgemeinden in keiner Beziehung.
Soweit eine Besiedelung der Slavenländer durch deutsche Ein-
wanderer erfolgte, war dieses unvermittelte Nebeneinanderbestehen
von Rittergutsbesitz und bäuerlichem Besitze der charakteristische
Grundtypus der politischen und sozialen Verhältnisse von der Saale
und Elbe bis zur Memel. Nur in den Gegenden, in die der deutsche
Einwanderer nicht vordrang, in der Lausitz, in Teilen von Hinter-
pommern und von Oberschlesien, saß der slavische Bauer als
Grundholde auf dem Gute eines Herren, dem er Zins und Robott