Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 111 Geschichtliche Entwicklung der Landgemeindeverfassungen ꝛc. 209 
der Landesherr besessen haben. Sehr bald wurde auch das Ver- 
hältnis des Landesherren zu den ihm verbliebenen Dörfern nach 
dem allgemein herrschenden Zustande der Gutsherrlichkeit beurteilt. 
Der Landesherr galt als Gutsherr seiner Domänen und der dazu- 
gehörigen sogenannten Amtsdörfer, über welche er dieselben Rechte 
in Anspruch nahm wie jeder Gutsherr über seine Hintersassen. 
Dieses bereits seit Anfang des 14. Jahrhunderts feststehende 
Verhältnis zwischen Großgrundbesitz und Kleingrundbesitz hat im 
Laufe der nächsten vier Jahrhunderte, d. h. bis zur Regierung 
Friedrich Wilhelms I. keine wesentlichen Veränderungen mehr er- 
fahren. Nur die wirtschaftliche Abhängigkeit der Bauern vom 
Gutsherrn wurde unter der ständischen Reaktion in der zweiten 
Hälfte des 16. Jahrhunderts stärker. Damals erst entstand neben 
der bereits seit Jahrhunderten vorhandenen dinglichen Abhängig- 
keit der Bauerngüter vom Rittergute die persönliche Erbunter- 
tänigkeit. Der Bauer wurde an die Scholle gebunden, so daß er 
sein Dorf nur mit Erlaubnis des Gutsherren zeitweise oder für 
immer verlassen konnte. Im ersteren Falle hatte er ein Schutz- 
geld, im zweiten ein Abzugs= oder Loskaufsgeld an den Guts- 
herren zu entrichten. Jeder Dorfbewohner wurde zu unentgelt- 
lichen Botendiensten, die Bauernkinder zu mehrjährigem unentgelt- 
lichen Gesindedienste auf dem Gutshofe verpflichtet. Das Recht 
der Gutsherren, die Bauern auszukaufen, und das Bauernland 
zu dem gutsherrlichen Acker einzuziehen, wurde bereits 1540 
förmlich anerkannt. Unter Johann Georg erfuhren die Leistungen 
der Bauern eine fortgesetzte Steigerung. Jeder Schutz der Bauern 
gegen ihren Gutsherrn hörte auf, Beschwerden über ihn wurden 
sogar mit Strafe bedroht. Da die Gründe der ständischen Reaktion 
überall dieselben waren), so vollzogen sich diese Vorgänge nicht 
nur in Brandenburg, sondern in allen deutschen Gebieten rechts 
der Elbe. 
Trotz der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu- 
ungunsten der Bauern blieb die politische Verfassung der Land- 
gemeinden fast unverändert. Nur in wenigen Punkten macht sich 
die verstärkte Herrschaftsstellung des Gutsherrn in wirtschaftlicher 
Beziehung auch politisch geltend. Nach dem Aussterben der mit 
  
2) Vol. 8§ 3. 
Vornhak, Preußisches Staatsrecht II. 2. Aufl. 14
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.