Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

§ 114 Die Landgemeindeverfassung in Westfalen 2c. 247 
hat ein Drittel der Gemeindeverordneten zu wählen, ohne an die 
Wähler der eigenen Klasse gebunden zu sein. In der Rhein- 
provinz sind die Meistbegüterten, die wenigstens zu 150 Mark 
Grund= und Gebäudesteuer veranlagt sind, von Rechts wegen Mit- 
glieder des Gemeinderates; sie haben nach ihrer persönlichen Steuer- 
leistung noch ein aktives Wahlrecht, können aber nicht gewählt 
werdenu). 
Jedes stimmfähige Gemeindemitglied, dem nicht ein gesetz- 
licher Entschuldigungsgrund, wie anhaltende Krankheit, häufige Ab- 
wesenheit, Alter über 60 Jahre, Verwaltung eines unbesoldeten 
Amtes in den letzten drei Jahren, Verwaltung eines öffentlichen 
Amtes, in Westfalen auch ärztliche Praxis oder sonstige besondere 
Verhältnisse zur Seite steht, ist zum Eintritte in die Gemeinde- 
versammlung oder den Gemeinderat auf mindestens drei Jahre 
verpflichtet. Bei unberechtigter Weigerung kann der Betreffende 
auf drei bis sechs Jahre der Ausübung des Gemeinderechts seitens 
der Gemeindevertretung für verlustig erklärt und um ein Achtel bis 
ein Viertel stärker zu den direkten Gemeindeabgaben herangezogen 
werdenis). 
Ist die Gültigkeit einer Wahl bestritten oder hat die Gemeinde-- 
vertretung von dem ihr bei unberechtigter Weigerung zustehenden 
Rechte Gebrauch gemacht, so findet dasselbe Beschluß- und Streit- 
verfahren statt wie in den Landgemeinden der östlichen Provinzenu). 
Die Gemeindevertretung, deren Mitglieder an keinerlei Auf- 
träge oder Instruktionen gebunden sind, wird in Westfalen von 
dem Gemeindevorsteher, in der Rheinprovinz von dem Bürger- 
meister oder der von ihm beauftragten Person berufen. Den Vor- 
sitz führt in Westfalen der Gemeindevorsteher, in der Rheinprovinz 
der Bürgermeister oder sein Vertreter. Doch ist in Westfalen auch 
der Amtmann jederzeit zur Uebernahme des Vorsitzes berechtigt. 
Der Vorsitzende gibt die Entscheidung bei Stimmengleichheit. Ein 
eigenes Stimmrecht steht jedoch weder dem Amtmanne noch dem 
Bürgermeister als solchen, wohl aber dem Gemeindevorsteher zu. 
Die Gemeindevertretung kann nur beschließen, wenn mehr als die 
  
11) Westf. LG O. 88 23 ff., Rhein. GO. 8§8 46 ff. Wegen der Meist- 
begüterten vgl. Entsch. des OV G. vom 17. Januar 1902, Bd. 42, S. 126. 
12) Westf. LGO. 8 78, Rhein. KrO. 8 25. 
13) Vgl. 8 112.
	        
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