Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

g 88 Rechtsauffassungen vom Staatsdienste. 19 
einseitigen Staatsakt erfolgen, erstere dagegen durch Vertrag. Die 
freiwillige Uebernahme seitens des Beamten sei also dem Staats- 
dienste wesentlich. Wenn man die Begründung des Staatsdienstes 
durch Vertrag leugne, so liege dem eine Verwechslung des Ver- 
trages überhaupt mit einer bestimmten Art, dem Vertrage des 
abstrakten Vermögensrechts oder dem obligatorischen, zugrunde. 
Die Begründung des Staatsdienstes erfolge durch freiwillige Ver- 
einbarung des Staates und des Beamten, also durch wechselseitige 
Uebereinkunft. Die Herstellung eines Rechtsverhältnisses durch 
beiderseitige Willensübereinstimmung sei aber ein Vertrag. Da- 
durch werde ein organisches Unterordnungsverhältnis des Beamten 
unter die Staatsgewalt, ein besonderes Gewaltverhältnis des öffent- 
lichen Rechts begründet. Auch der Anspruch des Beamten gegen 
den Staat an Dienstvorteilen sei kein privatrechtlicher, sondern ein 
auf dem Gewaltverhältnisse beruhender und aus ihm erwachsener 
Unterhaltsanspruch des öffentlichen Rechts. 
Diese Auffassung hat das Wesen des Staatsdienstes zwar besser 
erkannt als das gemischte System, sie verschließt sich nicht der 
Einsicht, daß Leistung und Gegenleistung nicht verschiedener Natur 
sein, geschweige denn auf verschiedenen Grundlagen beruhen 
können. Dagegen bedeutet die Annahme der Begründung des 
Staatsdienstes durch Vertrag entschieden einen Rückschritt gegen- 
über der Gönnerschen und Zachariäschen Ansicht. Es ist nicht 
die Verwechslung des Vertrages überhaupt mit dem obligatorischen 
Vertrage, der zur Annahme der Begründung des Staatsdienstes 
durch einseitigen Staatsakt nötigte, sondern der innere Widerspruch 
eines Vertrages zwischen Staat und Untertanen, die Unvereinbar= 
keit eines solchen Vertrages mit dem heutigen Staatsbegriffe. 
Außerdem führt die Lehre vom öffentlichrechtlichen Vertrage zu 
einer ungerechtfertigten Beschränkung des Begriffs des Staats- 
dienstes auf die Fälle einer freiwilligen Uebernahme. Gewiß ist 
Allgem. StR. in Marquardsens Handbuch § 64; Gaupp, Württ. St. 
a. a. O. S 29; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. 2, S. 248 ff. 
nimmt zwar auch ein nach Leistung und Gegenleistung einheitliches öffent- 
liches Verhältnis an, das er jedoch nicht auf einen Vertrag zurückführt. 
Umgekehrt mimmt das Reichsgericht einen öffentlichrechtlichen Vertrag 
an — Entsch. in Zivils. vom 10. Februar 1903, Bd. 53, S. 423 —, aus 
dem jedoch ein gemischtes Verhältnis entspringt — Entsch. in Civils. vom 
22. Mai 1890, 19. Oktober 1899 — Gruchot, Beiträge Bd. 34, S. 925, 
d. 46, S. 416 —. 
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