Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

274 Das Verwaltungsrecht. 8 117 
war, besteht darin, daß sie ein Bindeglied herstellt zwischen der 
ständischen Ortsverwaltung des flachen Landes und dem absoluten 
Beamtenstaate, der in der obersten Provinzialverwaltung sich Gel— 
tung verschafft hatte. Der Kreis gehört beiden Organisationen 
an, dem Ständetume, indem er als kommunaler Verband eine 
ständische Korporation bildet, dem absoluten Beamtenstaate, indem 
der Landrat nicht nur kommunales Organ, sondern gleichzeitig 
wie auch die übrigen Kreisbeamten ein solches der allgemeinen 
Landesverwaltung ist. Die lebensfähigen Reste des alten Stände- 
tums waren hier dem neuen Staate dienstbar gemacht. Die Kreis- 
verfassung stellt ferner dadurch, daß sie landesherrliche Aemter 
und patrimoniale Bezirke zusammenfaßt, eine unmittelbare staat- 
liche Verwaltung für kleinere Bezirke des flachen Landes wieder 
her und bricht dadurch die ständische Selbstherrlichkeit. 
Ihre hohe Bedeutung konnte die brandenburgische Kreisver- 
fassung nur gewinnen auf den gesellschaftlichen Grundlagen, wie 
sie in den östlichen Teilen Deutschlands bestanden. Nirgends war 
die landesherrliche Gewalt so vollständig von der Verwaltung des 
flachen Landes verdrängt worden wie gerade hier. Selbst die 
landesherrlichen Aemter waren nicht wie im westlichen Deutschland 
staatliche Verwaltungsbezirke, sondern Gutsherrschaften des Landes- 
herren. Wegen des Vorwiegens der Gutsherrschaften und des da- 
durch bedingten Zurücktretens der landesherrlichen Amtsbezirke 
konnten letztere nicht wie im Westen die Grundlage der neuen 
staatlichen unteren Verwaltung für das flache Land bilden. Man 
bedurfte einer über beiden stehenden Organisation und fand sie 
in den Kreisen. 
Das System der Kreisverwaltung und das System der Amts- 
verwaltung, beide das Erzeugnis entgegengesetzter gesellschaftlichen 
Verhältnisse, konnten aber auf die Dauer nicht in einem Staate 
nebeneinander bestehen. Die Amtsbezirke als Grundlage der staat- 
lichen unteren Verwaltung waren gegenüber den Patrimonialherr= 
schaften des Ostens unmöglich. Folglich mußte man das System 
der Kreisverwaltung, welches bisher nur in den mittleren Pro- 
vinzen bestand, auf die anderen Landesteile zu übertragen ver- 
suchen. Dies wurde die Aufgabe der preußischen Verwaltungs- 
politik des 18. Jahrhunderts. Ihre Lösung ist jedoch dem preußischen 
Beamtentume nur teilweise geglückt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.