8 89 Rechtliches Wesen des Staatsbienstes. 21
Was in diesen Bestimmungen zunächst ins Auge fällt, ist
die Hervorhebung der besonderen Pflichten der Beamten gegen-
über den allgemeinen Untertanenpflichten. Im Sinne der Wolffschen
Philosophie wie des ALR. haben alle Untertanen die Pflicht,
die Sicherheit, die gute Ordnung und den Wohlstand des Staates
unterhalten und befördern zu helfen, aber die Militär= und Zivil-
bedienten sind vorzüglich dazu bestimmt. Alle Untertanen haben
eine Treue= und Gehorsamsverpflichtung gegen den Staat
(Vgl. § 42), aber die Beamten schulden dem Könige noch be-
sondere Treue und besonderen Gehorsam. Jeder Untertan ist dem
Staate zu gesetzlichen Diensten, wie der allgemeinen Wehrpflicht,
dem Geschworenen= und Schöffendienste verpflichtet, aber die Be-
amten sind je nach der Beschaffenheit ihres Amtes dem Staate
noch zu besonderen Diensten durch Eid und Pflicht zugetan.
Das ALR. sieht also das Wesentliche des Dienstverhältnisses
in den besonderen Pflichten. Der Staatsdienst ist ein besonderes
Pflichtverhältnis gegenüber dem Staate. Dieses besondere Pflicht-
verhältnis wird dem allgemeinen Pflichtverhältnisse aller Unter-
tanen gegenübergestellt. Jede besondere Rechtseinrichtung kann sich
nun von dem allgemeinen nur dadurch unterscheiden, daß sie
zwar alle Begriffsmerkmale der allgemeinen Rechtseinrichtung ent-
hält, außerdem aber noch ein oder mehrere besondere Begriffs-
merkmale, die die allgemeine Rechtseinrichtung nicht hat. Wendet
man dies auf den Staatsdienst an, so müssen bei ihm alle Begriffs-
merkmale der Staatsangehörigkeit zutreffen. Es ergiebt sich diese
Uebereinstimmung nicht etwa aus der zufälligen Tatsache, daß
die Beamten meist auch Angehörige ihres Staates sind. Denn
dies Zusammentreffen des Beamten= und Staatsangehörigkeits-
verhältnisses ist, wenn auch gewöhnlich, doch keineswegs rechtlich
notwendig (Vgl. § 44). Vielmehr ist die Verbindlichkeit zu allen
allgemeinen Pflichten eines Staatsangehörigen auch für nicht staats-
angehörige Beamte eine Folge der positiven Bestimmungen der
88 1 ff. II, 10 ALl.
Die Staatsangehörigkeit bildet nun aber eine allumfassende
Verpflichtung der Untertänigkeit unter den Staat, der ein per-
sönliches Gewaltrecht des Staates an seinen Angehörigen entspricht.
In dieser umfassenden Untertänigkeit liegen alle Einzelpflichten,
die man sich nur denken könnte, alle möglichen Herrscherrechte des