8 89 Rechtliches Wesen des Staatsdienstes. 23
Staatsangehörigen zu leugnen wart). Der berechtigte Kern für
die Annahme einer Treuepflicht ist, daß das Beamtenverhältnis auch
eine sittliche patriotische Seite hat, und daß das Beamtenrecht
das Wesen des Beamtenverhältnisses ebenso wenig erschöpft wie
etwa das Eherecht das Wesen der Ehe.
Nach der rechtlichen Seite ist aber mit der allgemeinen Dienst-
verpflichtung das Beamtenverhältnis ausreichend gekennzeichnet.
Der Staatsdienst ist eine Verpflichtung zur Leistung ungemessener
Dienste einer bestimmten Art für den Staat.
Es kommt nicht darauf an, daß die Dienste wirklich geleistet
werden, sondern daß sie unter gewissen Voraussetzungen gefordert
werden können. Der Staatsdienst ist daher verschieden von der
wirklichen Dienstleistung, der Bekleidung eines bestimmten Amtes.
In dem Staatsdienste ist nur die Verpflichtung zu einer gewissen
Tätigkeit enthalten, nicht die Tätigkeit selbsts). Am klarsten ist dieser
nicht nur in dem preußischen, sondern in dem deutschen Staats-
rechte überhaupt stets vorhanden gewesene Unterschied anerkannt
im Strafgesetzbuche § 31 Abs. 2 und § 359. Hier werden „im
Sinne dieses Strafgesetzes“ unter öffentlichen Aemtern auch die
Advokatur, die Anwaltschaft, das Notariat, der Geschworenen- und
Schöffendienst verstanden, unter Beamten alle im Dienste des
Reiches, im unmittelbaren Dienste eines Bundesstaates auf Lebens-
1) Vg9l. § 42; Nadnitzky, Zur Lehre von der Treupflicht im
Dienstverhältnisse im Archiv für öffentliches Recht Bd. 20 (1906), S. 119 ff.
2) Auf diesen Unterschied zwischen dem Staatsdienste und der Be-
kleidung eines bestimmten Amtes weisen bei Gönner schon die Aus-
führungen hin, daß der Staat zwar das einzelne Amt, nicht aber den
Nahrungsstand dem Beamten entziehen könne. Eine ausführliche Be-
gründung gibt zuerst Meisterlin in seiner 1838 erschienenen Schrift
über die Verhältnisse der Staatsdiener, demnächst Laband a. a. Ol
Ihm schließen sich an Rehm in Hirths Ann. 1885, S. 160 ff.; Gareis,
Allgemeines Staatsrecht § 64; Gaupp, Württ. Staatsrecht § 29;
G. Meyer, Deutsches Staatsrecht § 140. Die Ansicht von Stölzel,
a. a. O. Bd. 2, S. 558, daß nach dem Beamtenrechte des ALR. die Be-
stallung des Beamten lediglich für das einzelne Amt erfolge, kann hier-
nach micht geteilt werden. Allerdings fielen im 18. Jahrhundert, da
statt der Stellung zur Disposition und der Pensionierung durchweg die
Entlassung stattfand, tatsächlich Dienst- und Amtsverhältnis regelmäßig
zusammen wie noch heute bei den Ehrenbeamten. Begrifflich werden
aber beide, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, schon im ALK.
scharf gesondert.