30 Das Verwaltungsrecht. 8 90
überhaupt sprechen. Man muß einen anderen gleichberechtigten
Begründungsakt daneben stellen und ihn juristisch charakterisieren.
Diese Aufgabe hat jedoch die Vertragslehre bisher vollständig ver—
nachlässigtt).
Dazu kommt, daß ein staatsrechtlicher Vertrag überhaupt
mit dem Wesen des modernen Staates in einem unvereinbaren
Widerspruche steht. Denn es fehlt ihm die rechtliche Gleichstellung
beider Vertragsteile:). Auch der Umstand, daß soweit eine gesetz-
liche Dienstpflicht nicht vorliegt, der einzelne dem Staate als selbst-
ständige Rechtspersönlichkeit gegenüber tritt, schafft keine Gleich-
stellung. Daß man ein Rechtsgeschäft, zwischen zwei Rechts-
persönlichkeiten zur Begründung von Rechten und Pflichten ab-
geschlossen, so lange es eine Rechtswissenschaft gebe, Vertrag ge-
nannt habes), trifft eben in dieser Allgemeinheit nicht zu.
Ein staatsrechtlicher Vertrag dieser Art ist daher unmöglich.
Diese Auffassung beruht nicht „auf einer einseitig privatrechtlichen
und willkürlichen Beschränkung des Vertragsbegriffs“), sondern
auf dem Vertragsbegriffe überhaupt, wie er nicht nur im Privat-
rechte, sondern auch im Völkerrechte vorhanden ist.
1) Man müßte denn eine Lösung in der gelegentlichen Bemerkung
von Löning, Verwaltungsrecht S. 138 sehen, wo es heißt, auch soweit
eine Amtspflicht bestehe wie bei den Ehrenbeamten, erfolge die Be-
gründung des Staatsdienstes nicht durch einseitigen Staatsakt, sondern
erst durch die Annahme, beruhe also auf Vertrag. Denn die ungerecht-
fertigte Ablehnung eines Amtes, zu dessen Uebernahme eine Verpflich-
tung bestehe, ziehe nur eine Geldstrafe nach sich, es werde niemand durch
Anwendung von Zwangsmitteln zur Führung des Amtes genötigt. Was
die Geldstrafe, die übrigens in Preußen gar nicht für diesen Fall besteht,
anderes ist als ein Zwangsmittel, wird leider nicht gesagt.
2) Zutreffend bemerkt schon Gönner a. a. O. S. 84, es sei ein
folgeschwerer Irrtum zu glauben, „das Einverständnis zweier Subzjekte
über Rechte und Verbindlichkeiten mache das ganze Wesen eines Vertrages
aus. Wo das Objekt nicht von der freien Willensbestimmung der Per-
sonen abhängt, wo nicht ein reiner Ausfluß der Willkür dem Rechte unter
diesen bestimmten Individuen sein Dasein gibt, wo nicht die Personen
in Ansehung des Gegenstandes ihrer Willensvereinigung im Zustand
einer wechtlichen Gleichheit sich befinden, da ist ein Vertrag nicht vor-
handen, wenn wir auch eine Uebereinstimmung der Willen antreffen.“
5) So Rehm in Hirths Ann. 1885, S. 178; Seydel, Bayr.
Staatsrecht Bd. 3, S. 323.
4) So Laband, BVd. 1, S. 449.