Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

* 136 Staatsministerium und Kabinett. 410 
Der Ministerpräsident hat jedoch die Einheit des Staats- 
ministeriums zu wahren. Nach der Kabinettsordre vom 8. Sep- 
tember 1852 war ihm daher das alleinige Recht beigelegt, dem 
Könige über alle wichtigen Verwaltungsmaßregeln Vortrag zu 
halten, alle Departementschefs sollten sich mit dem Minister- 
präsidenten hierüber vorher schriftlich oder mündlich verständigen, 
und jeder Verwaltungschef, der sich bewogen fände, dem Könige 
in Angelegenheiten seines Ressorts unmittelbar Vortrag zu 
halten, den Ministerpräsidenten zeitig vorher in Kenntnis setzen, 
damit er, wenn er es für nötig finde, solchen Vorträgen bei- 
wohnen könne. Die Einschärfung dieser Kabinettsordre durch 
Bismarck und das Verlangen des Monarchen nach ihrer Auf— 
hebung gab den Anlaß zu Bismarcks Entlassung. Tatsächlich ist 
die Kabinettsordre nicht aufgehoben worden. Jeder Minister- 
präsident kann also den anderen Ministern gegenüber auf ihrer 
Beobachtung bestehen — aber der Fall von 1890 wirkt in dieser 
Hinsicht nicht verlockend. 
Für seine eigene Geschäftstätigkeit sind dem Staats- 
ministerium ferner ein Unterstaatssekretär und mehrere vor- 
tragende Räte beigegeben, die in den Versammlungen des 
Staatsministeriums zu erscheinen und die ihnen zugeschriebenen 
Sachen vorzutragen haben, denen jedoch lediglich eine beratende 
Stimme zusteht. Ferner kann nach der Kabinettsordre vom 
9d. Dezember 18276) der Präsident des Staatsrates, auch wenn 
er nicht Minister ist, den Versammlungen des Staatsministeriums 
eiwohnen, ohne daß ihm ein Stimmrecht eingeräumt wäre. Außer- 
dem ist für die Geschäfte des Staatsministeriums ein besonderes 
ureaupersonal angestellt. 
Das Staatsministerium ist zwar eine kollegiale Behörde, aber 
nur in dem negativen Sinne, daß es nicht bureaukratisch organisiert 
ist, nicht im Sinne des gewöhnlichen Kollegialitätsprinzips. Denn 
em Könige gegenüber kann es immer nur eine beratende Stellung 
einnehmen, ohne selbständige Entscheidung, der König kann sich 
siensowohl im Sinne der Minderheit wie der Mehrheit ent- 
#bließen — unbeschadet der Ministerverantwortlichkeit des einzelnen 
Nitgliedes. In diesem Mangel der Befugnis zur Entscheidung 
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5) G. S. 1828, S. 6. 
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