Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 90 Begründung des Staatsdienstes. 35 
27. Oktober 181010) und späteren Einzelanordnungen bestimmt. 
Nach der Verordnung vom 27. Oktober 1810 hat sich der König 
persönlich vorbehalten die Ernennung der Räte bei allen Central- 
und Provinzialbehörden und der im Range höher oder gleich 
stehenden Beamten, der ordentlichen Universitätsprofessoren, der 
Direktoren der Gymnasien, Real= und höheren Bürgerschulen und 
Seminarien, der Rendanten der Hauptkassen. Durch das Gesetz 
vom 24. April 187811) 8 7 ist die unmittelbare königliche Er- 
nennung ausgedehnt auf alle Richter einschließlich der Handels- 
richter. 
Als eine allgemeine gesetzliche Voraussetzung für die Ernennung 
der Beamten erklärt man gewöhnlich die schon im A. L.-R. II, 10 
8 70 erforderte Befähigung des Beamten zur Bekleidung des 
Amtesu). Diese Ansicht beruht auf einer Verwechslung des Staats- 
dienstes und der Amtstätigkeit. Ein Amt soll niemandem aufge- 
tragen werden, der nicht dazu befähigt ist. Die Uebertragung des 
Amtes ist aber von der Bestellung zum Beamten begrifflich ver- 
schieden. Da jedoch die Ernennung des Beamten niemals abstrakt, 
sondern immer mit Rücksicht auf ein bestimmtes zu übertragendes 
Amt erfolgt, so wird allerdings niemand zum Beamten ernannt, der 
nicht zu irgendeinem Amte befähigt ist. Im Leben erscheint also 
die Befähigung zu einem Amte vielfach als dasselbe wie die Be- 
fähigung zum Staatsdienste. Begrifflich bildet die Voraussetzung 
zum Staatsdienste zwar auch eine solche zur Amtstätigkeit, das um- 
gekehrte Verhältnis findet jedoch nicht statt schon wegen der Ver- 
schiedenheit der Voraussetzungen für die einzelnen Staatsämtern#). 
Jeder Beamte hat bei seinem Dienstantritte einen Diensteid 
zu leisten. Es war dies bereits im ständischen Patrimonialstaate 
Sitte, obgleich hier das Dienstverhältnis einen rein privatrechtlichen 
  
10) GS. 1810, S. 3. 
11) So z. B. H. Schulze, Pr. StR. BVd. 1, S. 310. 
13) GS. 1878, S. 230. 
13) Ganz klar wird das Verhältnis an folgendem Beispiele: Bei der 
richterlichen Lausbahn wird niemand zum Beamten ernannt, dem die 
Befähigung zum untersten Amte, dem des Referendars, fehlt. Daß das 
Bestehen der ersten Prüfung aber nicht Voraussetzung des Eintritts in 
den Staatsdienst, sondern des einzelnen Amtes ist, ergibt sich daraus, 
daß nach Bestehen der zweiten Prüfung sich nur das Amtsverhältnis, 
nicht das Dienstverhältnis ändert. 
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