5 135 Staatsministerium und Kabinett. 423
Verfassungsurkunde ist der unmittelbare mündliche Verkehr mit
dem Könige allen Ministern zugestanden worden, ohne daß in
dieser Beziehung eine besondere Anordnung ergangen wäre. Das
Kabinett hat also seitdem nicht mehr die Bedeutung eincs ver-
mittelnden Organes zwischen dem Könige und den Zentral-
behörden, sondern diese verkehren mit dem Könige ohne das
Zwischenglied des Kabinetts.
Die Organisation des Kabinetts beruht formell auch heute
noch auf der Verordnung vom 27. Oktober 1810, hat jedoch durch
den Wegfall des Staatskanzleramtes und durch die Zulassung
aller Minister zum Vortrage seine Bedeutung vollständig verändert.
Das Kabinett zerfällt in zwei Abteilungen, das Zivil-
kabinett unter einem Geheimen Kabinettsrate und das Militär-
kabinett, welches seinem Personalbestande nach sich deckte mit der
Abteilung des Kriegsministeriums für die persönlichen Angelegen-
heitent). Das Kabinett ist eine Staatsbehörde geblieben, wie es
dies auf Grund der Verordnung vom 27. Oktober 1810 war. Da
jedoch alle Regierungsakte des Königs der Gegenzeichnung eines
verantwortlichen Ministers bedürfen, und dieser in unmittelbarem
Verkehre mit dem Könige steht, so hat das Kabinett rechtlich
keinerlei Mitwirkung bei den Regierungsgeschäften mehr. Der
König kann sich des Kabinetts höchstens zu formellen Geschäften,
wie z. B. zur Absendung eines ihm zugegangenen Gesuches an
den zuständigen Minister zwecks Berichterstattung oder zur Mit-
teilung seiner Entschließungen auf schriftliche Berichte der Minister
bedienen. Auch werden alle schriftlichen Immediatberichte der
Reichs= und Landesbehörden dem Könige durch das Kabinett
vorgetragen. Infolge dieser Geschäftspraxis ist allerdings
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß das Kabinett einen
materiellen Einfluß auf die königlichen Entschließungen aus-
üben könnte, rechtlich ist jedoch die Zulässigkeit eines solchen nicht
anzuerkennen. Anders ist es mit den Militärsachen, da diese in
vielen Fällen einer ministeriellen Gegenzeichnung nicht be-
dürfeme). Hier erledigt das Kabinett die an den König per-
sönlich eingehenden Militärsachen. Im übrigen hat das Kabinett
die an den König gerichteten Privatgesuche zu bearbeiten.
u) Kabinettsordre vom 8. März 1883 — A##l. S. 165 —.
16) Vgl. 70.