Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 137 Geschichtliche Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 437 
den Kreisausschüssen, eine umfassende Verwaltungsgerichtsbarkeit. 
Als Gerichte zweiter Instanz sollten vorläufig die auf Grund 
reichsgesetzlicher Vorschrift gebildeten Deputationen für das Heimat- 
wesen unter der Bezeichnung „Verwaltungsgericht“ in jedem Re- 
gierungsbezirke tätig sein. 
Die Weiterführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit für die 
Kreisordnungsprovinzen erfolgte durch das Gesetz vom 3. Juli 
1875 betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das 
Verwaltungsstreitverfahrenn). Für jeden Regierungsbezirk wurde 
nunmehr ein ausschließlich mit der Verwaltungsrechtsprechung be- 
faßter Gerichtshof, das Bezirksverwaltungsgericht, gebildet, be- 
stehend aus zwei vom Könige auf Lebenszeit ernannten Mit- 
gliedern, einem zum Richteramte und einem zu höheren Ver- 
waltungsämtern befähigten, deren eines zum Direktor ernannt 
wurde, und aus drei vom Provinzialausschusse aus den Ein- 
wohnern des Bezirks auf drei Jahre gewählten Mitgliedern. Als 
oberster Gerichtshof in Verwaltungssachen wurde ein nur aus 
berufsmäßigen Beamten bestehendes Oberverwaltungsgericht zu 
Berlin errichtet, dessen Mitglieder zur Hälfte für das Richteramt, 
zur Hälfte für den höheren Verwaltungsdienst befähigt und min- 
destens dreißig Jahre alt sein müssen und vom Könige auf Vor- 
schlag des Staatsministeriums für Lebenszeit ernannt werden. 
Das Verwaltungsgerichtsgesetz regelt endlich das Venvaltungs- 
streitverfahren im Anschlusse an den damaligen preußischen Zivil- 
prozeß. Das Verfahren ist also vorzugsweise schriftlich, und es 
kann schon auf Grund der Schriftsätze unter gewissen Voraus- 
setzungen erkannt werden. In der Regel schließt sich jedoch an 
das schriftliche Verfahren eine mündliche Verhandlung an, in der 
die Parteien ihre Anführungen ergänzen und verbessern können. 
Dieses Verfahren ist aber nur subsidiär. Es greift nur soweit 
Platz, als nicht für einzelne Verwaltungszweige eine anderweite 
Regelung stattgefunden hat, wie dies namentlich hinsichtlich der 
Gewerbe= und Armensachen durch das Reichsrecht, hinsichtlich der 
Disziplinarsachen durch das Landesrecht geschehen istu). 
In dieser Form hat jedoch die Verwaltungsgerichtsbarkeit 
u) GS. 1875, S. 376. 
12) Diese Abweichungen sind nicht in den folgenden Paragraphen, 
sondern bei Behandlung der betresfenden Gegenstände berücksichtigt.
	        
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