Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

444 Das Verwaltungsrecht. § 138 
terisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit geht er ebenfalls aus 
von der besonderen Natur des Verwaltungsrechts. Gemeinsam 
ist der Rechtsprechung auf diesem Gebiete mit derjenigen auf den 
Gebieten des Privat= und Strafrechts der höchste Gesichtspunkt 
aller Rechtspflege, die unparteiische objektive Handhabung des 
Rechts. Bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit kann es sich nun nach 
Gneist abweichend vom Zivilprozesse nicht handeln um einen 
Rechtsstreit zwischen dem einzelnen und der Staatsgewalt, um 
einen Widerstreit zwischen gleichartigen Rechten, sondern nur um 
die Feststellung des objektiven öffentlichen Rechtes, und diese Fest- 
stellung dient nur mittelbar dem Interesse des einzelnen. Die 
Verwaltungsgesetze unterscheiden sich aber weiterhin von den Zivil- 
und Strafgesetzen durch die massenhaften Ermächtigungsklauseln, 
wodurch Gerichtsentscheidungen über die Rechtmäßigkeit der Ver- 
waltungsakte auf den rein formellen Schutz gegen Zuständigkeits- 
überschreitung beschränkt würden. Worauf es ankommec, sei dem- 
nach nicht die formelle Rechtsprechung, sondern die gleiche un- 
parteiische Maßbestimmung in der Handhabung der Staatsgewalten, 
welche gesichert werde durch die Organisation der Verwaltungs- 
gerichte, insbesondere durch die Verbindung von Elementen der 
Selbstverwaltung mit dem berufsmäßigen Beamtentume in ihnen. 
Die Steinsche Unterscheidung zwischen Verwaltungsllage und Ver- 
waltungsbeschwerde wird daher de lege serenda verworfen. 
Zuzugeben ist, daß es sich bei der Verwaltungsrechtsprechung 
nicht um eine Entscheidung über subjektive Rechte handelt. Aber 
es muß geleugnet werden, daß die Ermächtigungsklauseln, welche 
der Behörde ein freies Ermessen innerhalb der gesetzlichen Schranken 
gewähren, eine besondere Eigentümlichkeit des Verwaltungsrechts 
bilden. Sie kehren in dem Privat-, Straf= und Prozeßrechte ebenso 
zahlreich wieder. Das Gericht setzt den Schadensersatz nach freiem 
Ermessen fest, es bestimmt die Strafen innerhalb der gesetzlichen 
Grenzen, es fällt jedes Urteil auf Grund seiner freien Ueber- 
zeugung. Ja selbst wo man versucht hat, dieses Ermessen durch 
Feststellung gesetzlicher Voraussetzungen für den Erlaß richterlicher 
Anordnungen auf das engste Maß zu beschränken, wie z. B. 
bei den Haftbefehlen, dürfte kaum ein Fall denkbar sein, in dem 
die freie Entschließung des Richters dadurch irgendwie erheblich 
gebunden erscheint.
	        
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