446 Das Verwaltungsrecht. 6 138
bestehen, sondern die freie Verwaltungstätigkeit Platz greift, ist
eine Verwaltungsgerichtsbarkeit unmöglich.
Die Rechtsanwendung durch die Rechtsprechung vollzieht sich
aber in besonderen prozessualen Formen nach Anhörung der In-
teressenten oder ihrer Vertreter als Parteien, denen dann der Richter
in seinem Urteile von den Gründen seiner Entscheidung Rechen-
schaft gibt. Dabei nehmen dic richterlichen Behörden eine besondere
Stellung ein zum Könige und zu den ihnen übergeordneten Be-
hörden und zwar in der Richtung, daß den letzteren jede Ein:
wirkung auf die Entscheidung des einzelnen Falles entzogen ist,
daß die Gerichte, wic die preußische Verfassungsurkunde es aus-
drückt, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unter
worfen sind.
Nach allen diesen Richtungen steht die Verwaltungsgerichts
barkeit der Rechtsprechung der Zivil- und Strafgerichte gleich.
Es fragt sich nun, worin ein Unterschied der Verwaltungs
gerichtsbarkeit von jeder sonstigen Gerichtsbarkeit vorhanden ist.
Dieser Unterschied ist zunächst ein negativer.
Zur Zivilgerichtsbarkeit gehört die Entscheidung streitiger Pri-
vatrechtsverhältnisse. Das Privatrecht erschöpft sich in wechsel
seitigen Berechtigungen und Verpflichtungen der Privatpersonen
unter einander. Das Mittel zur Verwirklichung der Privatrechte
ist der Zivilprozeß. Auch der Zivilprozeß ist wie jede Recht-
sprechung Verwirklichung der Rechtsordnung. Aber indem er die
objektive Rechtsnorm durch die im Urteile enthaltene tatsächliche
Anordnung zur Anwendung bringt, verwirklicht er in jedem ein
zelnen Falle ein aus der Rechtsnorm hergeleitetes subjektives
Recht. Diese gleichzeitige, durch einen einzigen Akt sich vollziehende
Durchführung des objektiven und des daraus abgeleiteten sub-
jektiven Rechts ist das wesentliche Merkmal des Zivilprozesses,
in ihm ist das eine oder das andere undenkbar.
Trifft dies nun auch zu bei dem Verwaltungsprozesse? Wie
der Zivilprozeß das Privatrecht, so bringt der Verwaltungsprozeß
das Verwaltungsrecht zur Vollziehung. Das Verwaltungsrecht als
ein Teil des Staatsrechts umfaßt aber den Inbegriff solcher Normen,
welche das Verhältnis des Staates zu seinen Angehörigen regeln.
In einem anderen Zusammenhangev) wurde unnn bereits nach-
9) Bgl. 8 46.