Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 140 Das Verfahren in erster Instanz. 471 
eine andere Ausnahmebestimmung durchlöchert, indem der Rechts- 
streit durch Bescheid ohne mündliche Verhandlung erledigt werden 
kann, wenn keine Partei eine solche verlangt hat. Es kann dahen 
keinem Bedenken unterliegen, eine ähnliche Ausnahme auch für 
den Fall des Ausbleibens einer Partei anzunehmen. Dagegen 
entbehrt die Ansicht, daß der Prozeß in diesem Falle ruhen bleibe, 
jeder gesetzlichen Grundlage. Ein solches Ruhen des Prezesses 
wäre auch nur denkbar, wenn das Verwaltungsstreitverfahren von 
der Verhandlungsmaxime beherrscht wäre, nicht aber bei der 
Untersuchungsmaxime, die das Gericht, wenn das Verfahren erst 
einmal eingeleitet ist, zu einer Tätigkeit von Amts wegen nötigt. 
Die Folge des Ausbleibens oder der Nichterklärung einer Partei 
ist also die, daß das Gericht nach Lage der Sache weiter ver- 
fährtu). 
Ist das tatsächliche Verhältnis hinreichend aufgeklärt, so kann 
die Entscheidung durch Urteil erfolgen. Andernfalls muß vorher 
noch Beweis erhoben werden. Es tritt dann der Prozeß aus 
der Periode des Schriftenwechsels und der mündlichen Ver- 
handlung in die des Beweisverfahrens ein. 
V. Die Erhebung des Beweises wird durch Beschluß des 
Gerichts angeordnet. Eine Beschwerde gegen den Beweisbeschluß 
muß als unzulässig betrachtet werden, da er nicht die Leitung 
des Verfahrens, sondern die Sache selbst betrifft#). Den Beweis- 
beschluß kann das Gericht nicht nur auf Grund der mündlichen 
Verhandlung, sondern nach seinem Ermessen schon vor deren An- 
beraumung fassen. Das Gericht ist bei seinem Beschlusse nicht 
auf den angetretenen Beweis beschränkt, sondern kann auch 
selbständig eine Beweiserhebung anordnen. Der Beweisbeschluß be- 
zeichnet die Tatsachen, über welche Beweis erhoben werden soll, 
und die Beweismittel. 
Die Beweiserhebung kann je nach dem Beschlusse des 
Gerichts entweder durch eins seiner Mitglieder oder er- 
sorderlichenfalls durch eine zu dem Ende zu ersuchende andere 
Behörde bewirkt werden oder in der mündlichen Verhandlung 
.k. 
— 
15) v. Sarwey a. a. O. S. 730. 
14) Uebereinstimmend Verf. des O#G. vom 29. Dezember 1876, 
Bd. 1, S. 445. 
15) Beispielsweise den Kreisausschuß oder den Landrat, wenn die
	        
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