8 140 Das Verfahren in erster Instanz. 175
gelaufen ist, ohne daß die Einlegung der Berufung erfolgt wäre,
oder wenn die Parteien auf die Einlegung eines Rechtsmittels
verzichtet haben. Ein Widerruf dieses Verzichtes muß, da er
ein rechtskräftiges Urteil wieder in Frage stellen würde, als un-
zulässig betrachtet werdenn).
Da der im Verwaltungsstreitverfahren geltend gemachte An-
spruch kein subjektives Recht zu sein braucht, ergeben sich eigentüm-
liche Folgen für die Rechtskraftss). Die Urteile sind allerdings der
formellen Rechtskraft fähig, d. h. unter gewissen Voraussetzungen
durch ordentliche Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar. Dagegen
entbehren sie grundsätzlich der materiellen Rechtskraft, daß das
bisher bestrittene subjektive Recht zum unbestrittenen wird, und
einem Versuche erneuter Anfechtung die Einrede der rechtskräftig
entschiedenen Sache entgegensteht. Ein Genehmigungsgesuch kann
soeben abgewiesen, eine Polizeiverfügung soeben als unberechtigt
aufgehoben sein, so steht doch nichts im Wege, daß ohne jede
Veränderung in den Personen oder in den tatsächlichen Ver-
hältnissen das gleiche Gesuch angebrachtn), die gleiche Verfügung
erlassen wirde#). Nur wo im Verwaltungsprozesse über subjektive
Rechte entschieden wird, ist auch eine materielle Rechtskraft möglich
und greift der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache
Platz#). Wenn das Oberverwaltungsgerichtso) sagt, Voraussetzung
der rechtskräftig entschiedenen Verwaltungsstreitsache sei, daß über
den nämlichen Gegenstand unter denselben Parteien auf derselben
... ... · —
21) Uebereinstimmend Entsch. des O#V #. vom 21. Dezember 1881,
Bd. 8, S. 384.
22) Jebens, Rechtskraft und Oberverwaltungsgericht, in den Ver-
waltungsrechtlichen Aufsätzen, Berlin 1899, S. 183 ff.; Löning, Die
Rechtskraft verwaltungsrichterlicher Urteile, im Verwaltungsarchive Bd. 7,
S. 1 ff.; Gutachten von Schultzenstein und Bernatzik, Die Rechts-
kraft der Entscheidungen der Verwaltungsbehörden, in den Verhandlungen
des 26. Deutschen Juristentages Bd. 1, S. 86 ff., Bd. 2, S. 32 ff., Berlin
1902; O. Mayer, Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft in
Verwaltungssachen, im Archiv für öffentl. Recht Bd. 21 (1907), S. 1ff.
23) Entsch. des O#LG. vom 25. Juni 1879, Bd. 5, S. 291.
24) Entsch. des OVG. vom 3. Dezember 1889, Bd. 19, S. 376.
25) Entsch. des Bundesamtes für das Heimatwesen 4, 109; 7, 137;
136, 138; 11, 126; 18, 161; 19, 155; 20, 183; 21, 100; 22,
163; 26, 120; 27, 121, 168. «
26) Entsch. vom 29. März 1886, Bd. 13, S. 331.