Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 141 Die Rechtsmittel. 481 
verbleibt. Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen, 
auch wenn die Frist verstrichen ist (88 82—87 L.). 
Nach Ablauf der Frist werden die Verhandlungen dem Be- 
rufungsgerichte eingereicht, und die Parteien hiervon unter ab- 
schriftlicher Mitteilung der eingegangenen Gegenerklärungen be- 
nachrichtigt (88 88 LVG.). 
Die Berufung hat den vollen Suspensiv= und Devolutiv- 
effekt. Sie hat den Suspensiveffekt, d. h. durch ihre Einlegung 
wird der Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils und 
damit die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung aus ihm verhindert. 
(Während aber im Zivilprozesse der Suspensiveffekt der Berufung 
dadurch abgeschwächt wird, daß in zahlreichen Fällen trotz der 
Einlegung der Berufung das angefochtene Urteil vorläufig voll- 
streckt werden kann, ist im Verwaltungsprozesse die Zwangsvoll- 
streckung nur aus rechtskräftigen Urteilen zulässig. Da nun aber 
die Rechtskraft durch Einlegung eines Rechtsmittels gehemmt wird, 
so ist im Verwaltungsstreitverfahren der Suspensiveffekt der Be- 
rufung ein unbedingter. Die Berufung hat aber auch weiterhin 
den Devolutiveffekt. Das Berufungsgericht hat also über das Sach- 
und Streitverhältnis zu erkennen, ohne, sei es in tatsächlicher 
sei es in rechtlicher Beziehung, an die Auffassung des Vorderrichters 
gebunden zu sein. Die Entscheidung der Sache geht auf das Be- 
rufungsgericht über, welches nach vollkommen freiem Ermessen 
zu erkennen hat. 
Ist die Berufung von einer Partei eingelegt, ohne daß diese 
selbst oder die Gegenpartei die mündliche Verhandlung beantragt 
hat, und will das Gericht lediglich die frühere Entscheidung be- 
stätigen, so kann über die Berufung ohne vorherige mündliche 
Verhandlung durch Bescheid entschieden werden, gegen den nur 
der Antrag auf mündliche Verhandlung zulässig ist. Dagegen kann 
eine Abänderung der durch Berufung angefochtenen Entscheidung 
und weiterhin eine Bestätigung des ersten Urteils, welches von 
dem Vorsitzenden der ersten Instanz im öffentlichen Interesse an- 
gefochten ist, nur nach vorgängiger Anberaumung der mündlichen 
Verhandlung stattfinden. 
Die Ladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung ge- 
schieht unter der Verwarnung, daß bei ihrem Ausbleiben nach 
Lage der Sache werde entschieden werden. In gleicher Weise er- 
Vornhak, Preußisches Staatsrecht II. 2. Aufl. 31
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.