Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

8 141 Die Rechtsmittel. 485 
Ist dagegen die Sache nicht spruchreif, so weist sie das Ober- 
verwaltungsgericht zur anderweiten Entscheidung an die dazu nach 
der Sachlage geeignete Instanz zurück und verordnet die Wieder- 
holung oder Ergänzung des Verfahrens, soweit es nach 
seinem Ermessen mit einem wesentlichen Mangel behaftet ist 
(§8 93—99 L0.). 
III. Die Wiederaufnahme des Verfahrens umfaßt 
diejenigen Fälle, in denen beim Zivilprozesse die Nichtigkeitsklage 
oder die Restitutionsklage stattfindet. Wegen ihrer Voraussetzungen 
und der Fristen wird unmittelbar auf die bürgerlichen Prozeß- 
gesetzee) verwiesen. Es findet also die Wiederaufnahme statt wegen 
wesentlicher Mängel des Verfahrens, wie nicht gehöriger Besetzung 
des Gerichts, Mitwirkung eines gesetzlich ausgeschlossenen Richters 
und einer dem Gesetze nicht entsprechenden Vertretung der Partei, 
sowie ferner, wenn strafbare Handlungen, wie Meineid, Urkunden- 
fälschung oder Bestechung des Richters das Urteil beeinflußt haben, 
oder neue Urkunden aufgefunden werden, welche ein günstigeres 
Urteil herbeiführen könnten. Die die Wiederaufnahme begründenden 
Tatsachen dürfen aber der Partei nicht schon zu einer Zeit bekannt 
gewesen sein, in der sie noch ein ordentliches Rechtsmittel, d. h. 
die Berufung oder die Revision, einlegen konnte. 
Der Wiederaufnahme des Verfahrens fehlt jeder Suspensiv- 
effekt. Die Tatsache, daß die Frist für den Antrag auf Wieder- 
aufnahme noch nicht abgelaufen, diese selbst also noch möglich ist, 
hindert in keiner Weise die Rechtskraft des Urteils und dessen 
Vollstreckung. Ebenso wenig wird sie durch den Antrag auf Wieder- 
aufnahme und die Verhandlung darüber aufgehalten. Man be- 
zeichnet daher das Rechtsmittel selbst als ein außerordentliches 
im Gegensatze zu Berufung und Revision, denen der Suspensiv- 
effekt beiwohnt. 
Ist aber der Antrag auf Wiederaufnahme erst zugelassen, 
so steht das Gericht, vor dem nunmehr die Sache verhandelt wird, 
ihr ebenso frei gegenüber wie das überhaupt zuerst mit der Sache 
befaßte Gericht mit einer Einschränkung, auf welche sogleich zu- 
rückzukommen ist. Die Wiederaufnahme hat also im allgemeinen 
den vollen Devolutiveffekt. 
39. 88 578—591.
	        
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