Full text: Preußisches Staatsrecht. Zweiter Band. (2)

492 Das Verwaltungsrecht. 8 143 
zu überweisen. Nur um die letztere Möglichkeit, die Verwaltungs- 
gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte, handelt es sich hier. 
(Eine Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte im Zivil= und 
Strafverfahren über streitige Fragen des Verwaltungsrechtes ist 
in zweifacher Weise möglich. 
I. In einen bürgerlichen Rechtsstreit oder in eine Straf- 
sache können verwaltungsrechtliche Inzidentpunkte hineinspielen. 
Das französische Recht zieht hier die äußersten Folgerungen aus 
seiner Lehre von der Teilung der Gewalten und bindet in der 
Regel den ordentlichen Richter an die maßgebende Vorentscheidung 
der Verwaltungsbehördes). In Deutschland ist die Teilung der 
Gewalten nie rezipiert worden. Das deutsche Recht hält daran 
fest, daß das ordentliche Gericht auch über die in einer Zivil- 
oder Strafsache vorkommenden verwaltungsrechtlichen Inzident- 
punkte mit zu entscheiden hat. Im praktischen Ergebnisse wird 
dadurch aber dem einzelnen durch den Zivil= und Strafrichter 
ein Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung gewährts). 
II. Das ordentliche Gericht kann aber auch in den bloßen 
Formen des Zivil= und Strafprozesses sachlich streitiges Ver- 
waltungsrecht anwenden, so daß formelles und materielles Recht 
sich nicht decken. Das sind zum Teil Reste der patrimonial- 
staatlichen Auffassung, die alle öffentlichen Rechtsverhältnisse im 
wesentlichen vom Standpunkte des Privatrechtes betrachtete, wie 
die Unterwerfung des Fiskus in seinen privatwirtschaftlichen Be- 
ziehungen unter Privatrecht und Zivilprozeß, der privatrechtliche 
Schutz des wohlerworbenen Rechtes usw. Im Zeitalter der 
absoluten Monarchie hatten die Verwaltungsbehörden diese An- 
gelegenheiten wie auch solche, in die nur ein verwaltungsrecht- 
licher Inzidentpunkt, das Interesse publicum, hineinspielte, zum 
Gegenstande ihrer Attributivjustiz im Zivil= und Strafverfahren 
gemacht. Die Verordnung vom 26. Dezember 1808 hatte je- 
doch allgemein diese Attributivjustiz den ordentlichen Gerichten 
zurückgegeben. Dazu kam nach dem Uebergange zum Kon- 
stitutionalismus die Forderung des Rechtsstaates nach individuellem 
2) Vgl. O. Mayer, Theorie des französischen Verwaltungsrechts, 
Straßburg 1886, S. 94. · 
3) Beispiele 8 829 BGB., 88 110, 113 StrGB., Anitsverbrechen 
und Amtsvergehen.
	        
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