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mummte Gestalten sitzen sieht, die zu nächtlicher Weile über den Misse-
thäter das todbringende Urteil fällen. Die Vemgerichte waren nichts
anderes, als die alten Grafengerichte, die wir im früheren Mittelalter
allenthalben gefunden haben, die sich aber in Westfalen unter dem
Schutze der Kölner Erzbischöfe, die ja seit der Zertrümmerung der
Herrschaft Heinrichs des Löwen auch Herzöge von Westfalen waren,
ganz besonders wieder entwickelt hatten. Sie erhielten ihre Anerkennung
durch den Kaiser, der selbst dem Grafen für diese freien, d. h. nur dem
Kaiser untergeordneten Gerichte — weshalb jener auch der Freigraf
genannt wird — den Gerichtsbann übertrug. Zunächst nur für ihren
Sprengel; aber die Belehnung unmittelbar durch das Reichsoberhaupt
machte den Gedanken lebendig, als reiche die Wirksamkeit der Frei-
gerichte ebenso weit wie die Gerichtsbarkeit des Kaisers. Diese sonst
durch nichts zu begründende Anschauung wurde besonders gefördert
durch das 1372 von Karl IV. dem Erzbischof Friedrich von Köln,
den Bischöfen von Münster, Osnabrück und Paderborn und dem Grafen
von der Mark verliehene Recht, den Landfrieden zu sichern mit der
Todesstrafe durch den Strang unter des Königs Bann, und zwar mit
Hilfe der Freigrafen. Unter Wenzel wurde diese Bestimmung erneuert,
und die Macht und der Einfluß der Veme wuchs, trotzdem Wenzel
bald, wie schon erwähnt, den westfälischen Landfrieden widerrief. König
Ruprecht schenkte der eigentümlichen Einrichtung seine volle Aufmerk-
samkeit und verlangte von den Freigrafen und ihren Freischöppen einen
antwortlichen Bericht über verschiedene, ihr Wesen erforschende Fragen;
diese rupertschen Fragen sind die ältesten Aufzeichnungen über das
Vemgericht; sie hatten die sogenannte rupertinische Reform vom Jahre
1404 zur Folge. Kaiser Sigismund war den Vemgerichten sehr gnädig
gesinnt. Nachdem Erzbischof Friedrich schon unter Wenzel das Recht
erhalten hatte, die Freigrafen zu investieren, d. h. sie mit ihrer richter-
lichen Gewalt zu bekleiden, wurde durch Sigismund Erzbischof Diet-
rich II. zum Verweser der Freigerichte bestellt, um ihre Thätigkeit
aus größerer Nähe zu beaufsichtigen. Sigismund ##rde sogar selbst
ein Wissender, d. h. er wurde eingeweiht in die Geheimnisse des heim-
lichen Gerichts, er erhielt Kenntnis von den Satzungen und den Ge-
bräuchen, die allein, wie auch die Losungs= und Erkennungsworte der
Schöppen, geheim gehalten wurden. Denn das Gericht an sich ging