g 92 Die Pflichten der Beamten. 51
Eine Verpflichtung, den an ihn ergangenen Befehl zu prüfen,
hat der Beamte nur dann, wenn er durch Befolgung des Befehls
sich persönlich verantwortlich machen würden). Insofern ist der
Ausgangspunkt der eben widerlegten Ansicht, daß die feste Be-
stimmung der eigenen Verantwortlichkeit des auf Befehl handelnden
Beamten die Lösung der Frage enthalte, auch hier festzuhalten.
Bezüglich der Prüfungspflicht ist entscheidend, daß der Beamte
vermöge seiner amtlichen Stellung zum Gehorsam gegen die Befehle
seiner Vorgesetzten an sich verpflichtet ist. An die Stelle dieser
Gehorsamspflicht tritt eine Verpflichtung zur Verweigerung des
Gehorsams, wenn der Beamte durch Befolgung des Befehls sich
selbst verantwortlich machen würde. Nach positiver Vorschrift der
§8 45 ff. I, 6 ALR., die als dem Beamtenrechte angehörig als
im ganzen Staatsgebiete geltendes Recht betrachtet werden müssen,
besteht jedoch, wenn der zum Gehorsam Verpflichtete einen Befehl
ausführt, seine Verantwortlichkeit für die befohlene Handlung nur
dann, wenn sie in den Gesetzen ausdrücklich verboten ist. In Ueber-
einstimmung damit befindet sich das Reichsrecht, das in dem Ge-
horsam gegen einen Dienstbefehl keinen Strafausschließungsgrund
sieht. Selbstverständlich wird aber durch Ueberschreitung des Be-
fehls die Handlung lediglich eine solche des ausführenden Beamten,
und ihn trifft die Verantwortlichkeit für die Ueberschreitung. Die
Prüfungspflicht des Beamten erstreckt sich also bloß darauf, ob die
befohlene Handlung einem Verbotsgesetze widerstreitet, und allein,
wenn dies zutrifft, ist der untergeordnete Beamte zur Verweigerung
des Gehorsams bei Vermeidung eigener Verantwortlichkeit ver-
pflichtet.
Ist die befohlene Handlung nicht gesetzlich verboten, so ist der
gehorchende Beamte gegen jede Verantwortlichkeit gedeckt, wenn
er auf Befehl gehandelt hat. Es liegt ihm daher auch keinerlei
Prüfungspflicht weiter ob. Gleichwohl besteht eine Gehorsams-
pflicht des Beamten nur gegenüber rechtmäßigen Befehlen seiner
Vorgesetzten. Entsteht eine Meinungsverschiedenheit über die Recht-
mäßigkeit, so braucht der Beamte die vielleicht irrige Ansicht seines
unmittelbaren Vorgesetzten nicht als unbedingt maßgebend an-
zusehen. Er hat zwar keine Prüfungspflicht, aber ein Prüfungs-
15) Uebereinstimmend Entsch, des OVG. vom 8. April 1885, Bd. 12,
S. 426.
47